Thema des Tages

20-05-2020 08:20

Handzahmer Mai

Meteorologisch gesehen verläuft der Mai 2020 nicht besonders
spektakulär bzw. typisch. Was sind die Gründe dafür und bleibt dieser
Tenor auch für den restlichen Monat erhalten?

Ist Ihnen schon aufgefallen, dass in den letzten Wochen auffallend
wenig über die Wetterlagen in Deutschland berichtet wurde? Es ist
nämlich tatsächlich so, dass die aktuellen Wettermeldungen eher das
Ausland betreffen (Stichwort Zyklon "Amphan", Thema des Tages vom
20.05.2020), als die Gebiete in unserem unmittelbaren
Zuständigkeitsbereich. Doch was sind die Ursachen dafür?

Jetzt könnte man zunächst die Vermutung anstellen, dass die
Berichterstattung über die aktuellen gesundheitlichen und
wirtschaftlichen Themen nicht viel Platz für Anderes lässt - immerhin
ist der Monat Mai ja eigentlich dafür bekannt, auch einprägsame
meteorologische Schlagzeilen liefern zu können. Im letzten Drittel
des klimatologischen Frühlings sind nämlich spannende Wetterlagen mit
schweren Gewittern, Dauerregen oder ersten Hitzewellen durchaus
möglich.

Wenn die atmosphärischen Zutaten passen, kommt es im Mai bereits
häufig zu starken Gewitterentwicklungen, die in vielen Fällen auch
unwetterartige Ausprägungen aufweisen können. Die Palette reicht dann
von heftigem Starkregen über (schwere) Sturmböen bis hin zu großem
Hagel. Besondere Aufmerksamkeit ist außerdem dann gegeben, wenn ein
Tornado gesichtet wird oder bewohntes Gebiet betrifft. Vor nun fünf
Jahren (am 13. Mai 2015) zog beispielsweise ein Tornado über Gebiete
in Schwaben hinweg. Besonders stark betroffen war dabei die Ortschaft
Affing. Schon ein paar Tage vorher (am Abend des 05. Mai 2015)
verwüstete ein F3-Tornado den Ort Bützow in Mecklenburg-Vorpommern.
Dabei gab es - im Gegensatz zu Affing - sogar mehrere Verletzte.

Gewitter können im Mai aber neben Sturm auch mit kräftigen
Niederschlägen einhergehen, die örtlich entsprechende Schäden oder
gar Verwüstungen verursachen. Ein Ort, der damit immer in Verbindung
gebracht werden wird, ist Braunsbach in Baden-Württemberg. Am 29. Mai
2016 rauschte eine Flutwelle durch den Ort und riss alles mit, was
sich dieser in den Weg stellte. Wenn man sich die Bilder nochmal vor
Augen führt, grenzt es fast an ein Wunder, dass damals kein Mensch zu
Schaden kam. Ein paar Tage später, am 01.06.2016 und damit streng
genommen schon im Juni, ereignete sich ein ähnliches Hochwasser in
der bayerischen Gemeinde Simbach am Inn, wobei dieses im Gegensatz zu
Braunsbach sieben Menschenleben forderte.

Im Mai kann es aber nicht nur zu örtlich begrenzten
Starkregenereignissen kommen, auch großflächige Niederschläge wären
keine wirkliche Überraschung. Beispielweise fanden das Oderhochwasser
2010 oder das Pfingsthochwasser 1999 im Mai statt, das Hochwasser in
Mitteleuropa 2013 nahm zumindest im Mai noch seinen Anfang.

Warum ist aber nun der meteorologische Mai 2020 bisher eher ein
Kätzchen als ein brüllender Löwe? Dafür muss man wissen, dass für
potentiell schadensträchtige oder gefährliche Wetterlagen ein
Zusammenspiel von Luftmassencharakteristik und Dynamik der Atmosphäre
erforderlich ist. Beispielsweise hat eine warme und feuchte Luftmasse
einen deutlich höheren Energie- bzw. Wassergehalt als eine kühlere.
Wirken außerdem Hebungsprozesse, sind die Auswirkungen bei der
feuchtwarmen Luft meist deutlich gravierender.

Im bisherigen Mai 2020 fehlten nun über weite Strecken oft beide
angesprochenen Zutaten. Den weit überwiegenden Zeitraum dominierten
hochdruckgeprägte Lagen, wobei der Schwerpunkt des Hochs meistens
über Nord- oder Nordwesteuropa positioniert war. Damit strömte häufig
nur mäßig warme und oft relativ trockene Luft aus dem Norden und
Osten des Kontinents nach Deutschland - verbreitete Niederschläge
oder gar Gewitter waren damit Mangelware. Jene Tage, an denen sich
die gewitteraffinere Luft aus dem Mittelmeerraum nach Deutschland
vorankämpfte, blieben die Ausnahme.

Nun stellt sich aber die Frage, ob dieser Tenor auch für den
restlichen Mai seine Gültigkeit behält? Blickt man auf die
Bodendruckkarte, sieht man, dass die immer noch vorhandene
hochdruckgeprägte Wetterlage regional bis in den Freitag hinein
wetterbestimmend bleibt. Dabei wird auf der Vorderseite eines Tiefs
über dem Atlantik zunehmend sehr warme Luft aus Südwesteuropa
herangeführt, sodass am Freitag am Oberrhein Tagehöchstwerte um 30
Grad erreicht werden können. Allerdings bleiben diese Werte eine
Eintagsfliege, denn in der Nacht zum Samstag sowie am Samstag
tagsüber zieht eine Kaltfront über das Bundesgebiet hinweg. Im
Vorfeld der Kaltfront sind am Samstag besonders im Südosten
Deutschlands einzelne kräftige Gewitter möglich.

Zum Beginn der neuen Woche fällt die Wetterlage schließlich wieder in
alte Muster zurück: es dominiert zumindest am Boden
Hochdruckeinfluss, wobei die Temperaturen sukzessive steigen werden.
Es scheint also so zu sein, dass wir im Mai 2020 wahrscheinlich von
großflächigen Unwetterlagen und damit gravierenden meteorologischen
Schadensereignissen verschont bleiben - abgesehen von der regional
immer noch vorhandenen Trockenheit und den Frostschäden am Anfang des
Monats.

Mag.rer.nat. Florian Bilgeri
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 20.05.2020

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