DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

05-06-2020 10:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 05.06.2020 um 10.30 UTC



Im Laufe der Woche deutliche Erwärmung bei vor allem in der Südhälfte
zunehmender Gefahr kräftiger Gewitter. In der Nordhälfte zeitweise
Hochdruckeinfluss.
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Synoptische Entwicklung bis zum Freitag, den 12.06.2020


Ein ziemlich zerfledderter troposphärischer Polarwirbel ist derzeit Kennzeichen
der Zirkulationsverhältnisse auf der Nordhalbkugel. Das bleibt auch in der ab
Montag beginnenden Mittelfrist so. Wellenbewegungen werden daher in ihrer
ostwärtigen Verlagerung gehemmt, Tröge oder Höhentiefs kreiseln entsprechend
häufig an Ort und Stelle.

Über Europa zeigt sich am Montag ein umgekehrtes Omega in der Höhe. Will heißen:
ein ausgedehnter Trog, der von Grönland und dem Nordmeer bis zur Iberischen
Halbinsel reicht, welcher wiederum von hohem Geopotenzial über dem
Nordostatlantik und über Osteuropa und Russland flankiert wird. Die Achse des
Troges erstreckt sich vom Nordmeer über Dänemark und von dort in südwestliche
Richtung bis nach Frankreich und Portugal.

Im Wochenverlauf spaltet sich der südliche Teil des Trogs ab, um anschließend
als Höhentief über dem zentralen Mittelmeer sein Dasein zu fristen. Das
nördliche Residuum zieht als Randtrog mit eigenem Drehzentrum zur Barentssee und
wird mehr und mehr wieder in die Höhenströmung des troposphärischen Polarwirbels
integriert. Ihm folgt noch ein zweites Höhentief, das von Grönland über Island
gen Bottnischen Meerbusen steuert.

Zwischen diesen Gebilden wölbt sich im Wochenverlauf ein Keil des hohen
Geopotenzials über dem Nordostatlantik in nordöstliche Richtung bis nach
Skandinavien auf, was den Druck am Boden steigen lässt. In Konsequenz profitiert
vor allem der Norden Deutschlands davon, während die Südhälfte unter den
Einfluss des Höhentiefs über dem zentralen Mittelmeer zyklonal geprägt wird.

Die eingeflossenen kalten Meeresluftmassen polaren Ursprungs werden mit Drehung
der Strömung von Nord auf Ost und zum Ende der Woche hin auf Südost durch immer
wärmere Luftmassen ersetzt. So steigt die T850 hPa von 2 bis 8 Grad am Montag
bis auf 6 bis 11 Grad am Freitag.

In der erweiterten Mittelfrist zieht das Höhentief über dem zentralen Mittelmeer
ins östliche Mittelmeer. Gleichzeitig schnürt sich aus dem bis nach Skandinavien
gerichteten Höhenkeil durch einen abtropfenden Randtrog über dem Nordostatlantik
ein Höhenhoch ab, das allmählich nach Westrussland zieht. Es stützt ein Hoch am
Boden an ähnlicher Stelle. Damit verstärkt sich die Südostströmung, sodass warme
Luftmassen mit T850 hPa von 13 bis 16 Grad den Weg nach Deutschland finden. Am
Rande des Hochs über Skandinavien bzw. Westrussland gelangt aber vor allem nach
Süden und Westen hin teils feuchte Luft in unser Land, sodass kein "astreiner"
Hochdruck zu erwarten ist, sondern (starke?) Konvektion durchaus eine Rolle
spielen dürfte.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Zwischen dem heutigen und gestrigen 0 UTC-Läufen des EZMW besteht größtenteils
Einigkeit. In Details zeigen sich jedoch ein paar Unterschiede. So setzt die
Höhentiefentwicklung über dem zentralen Mittelmeer bis in die Mitte der Woche
zunächst über den Alpen und damit nördlicher an. Größere Auswirkungen auf das
Wetter hat das für uns aber nicht. Am Freitag stimmt die Position des Höhentiefs
weitgehend überein, im gestrigen 0 UTC-Lauf war aber der Keil nicht so stark
ausgeprägt. Auch das führt zu keiner nennenswerten Vorhersageänderung. In der
erweiterten Mittelfrist sieht die Konstellation wieder sehr ähnlich aus, beim
jüngsten Lauf ist jedoch geringfügig mehr Zyklonalität zu erkennen, weshalb
etwas mehr Niederschlag in Form von örtlichen Schauern und Gewittern vom Modell
simuliert wird. Im Vergleich vom heutigen 0 UTC zum gestrigen 12 UTC-Lauf fällt
vor allem die ein wenig länger anhaltende Verbindung des Trogresiduums über
Skandinavien zum Höhentief über dem zentralen Mittelmeer auf. Das würde auch im
Norden etwas längeren Tiefdruckeinfluss und Niederschläge bedeuten. In der
erweiterten Mittelfrist ab Samstag nächster Woche wird dagegen der
Hochdruckeinfluss ähnlich stark wie beim gestrigen 0 UTC-Lauf betont. Offenbar
herrscht in der erweiterten Mittelfrist also noch keine Einigkeit.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


GFS zeigt die Höhentiefentwicklung hauptsächlich über der Iberischen Halbinsel
und bildet zunächst nur einen kleinen Ableger über dem zentralen Mittelmeer.
Dieser verstärkt sich im Wochenverlauf. Damit würde zumindest in der Wochenmitte
die Tiefdruckaktivität in der Südhälfte nicht so stark ausfallen. Anschließend
wandelt sich der nach Skandinavien gerichtete Keil schneller in ein Höhenhoch
um, was die Strömung rascher auf Südost drehen lässt. Die auch vom EZMW
angedachte Erwärmung würde somit schneller vonstattengehen. GFS gibt dabei
ebenfalls Niederschlagssignale aus. Beim ICON bildet sich zwar ein Höhentief
über dem zentralen Mittelmeer, allerdings mit Ablegern über der Iberischen
Halbinsel und der Türkei. Der Tiefdruckeinfluss reicht damit in Deutschland
weiter nach Norden als beim EZMW. Die Höhenhochentwicklung über Skandinavien zum
Ende der kommenden Wochen hin ist stärker ausgeprägt als beim EZMW, womit
ebenfalls eine raschere Erwärmung angedacht wird. GEM lässt das Höhentief
ebenfalls über den Alpen abspalten und führt es anschließend nach Frankreich, wo
es Unterstützung von dem Randtrog erhält, der auch in EZMW zu sehen. Beim GEM
tropft dieses jedoch ab und regeneriert das Höhentief über Frankreich. Diese
Variante stützt ebenso eine frühere Erwärmung unter Beibehaltung von zyklonalen
Anteilen. NAVGEM verhält sich zunächst wie das EZMW, lässt das Höhentief über
dem zentralen Mittelmeer aber bereits am Freitag ins östliche Mittelmeer
wandern. Da auch der nach Skandinavien gerichtete Keil stärker ist, wird es bei
diesem Modell nicht nur rascher wärmer, sondern auch der Hochdruckeinfluss
dominieren.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Rauchfahnen des EZMW-Ensembles zeigen für verschiedene deutsche Städte mit
einem gut definierten Median und darin eingebetteten Haupt- und Kontrollläufen
ansteigende Temperaturen und Geopotenzial, womit der deterministische Lauf
bestätigt wird. Wenige Ausreißer nach unten und oben, die die Streuung groß
erscheinen lassen, gibt es bereits ab Dienstag. Am Donnerstag und Freitag gerät
der Kontrolllauf in einigen Rauchfahnen an den unteren Rand der Streuungen.
Vermutlich würde sich das Höhentief vom zentralen Mittelmeer dann noch einmal
etwas nach Norden verlagern, sodass die Strömung auf Nordost dreht und noch
einmal etwas kältere Luftmassen angezapft werden. Damit lassen sich auch einige
größere Niederschlagspeaks in den Städten im Süden Deutschlands erklären. Am
übernächsten Wochenende schlägt dann aber auch der Kontrolllauf den Kurs
"deutliche Erwärmung" ein.

Die Clusteranalyse liefert für Mittwoch (10.6, 0 UTC) bis Freitag (12.6, 0 UTC)
3 Cluster. C2 mit dem deterministischen Lauf spiegelt im für uns relevanten
Bereich das obige Szenario wider. C1 bildet den Schwerpunkt des Höhentiefs über
Frankreich ab, C3 dagegen am westlichen Mittelmeer und über der Iberischen
Halbinsel. Für Samstag (13.6, 0 UTC) bis Montag (15.6, 0 UTC) werden 4 Cluster
analysiert. C1 bis C3 sind auf Linie des Hauptlaufs. C4 hingegen formiert ein
Höhentief über Norddeutschland, das mit dem Höhentief über dem zentralen
Mittelmeer Verbindung aufnimmt und als Konglomerat mit diesem nach Frankreich
zieht.

FAZIT: Die Erwärmung auf sommerliche Temperaturen in der kommenden Woche ist
sicher, die 10 Grad-Isotherme in 850 hPa sollte spätestens Samstag bei uns
eintreffen. Die von EZWM angedachte Verzögerung der Erwärmung am Donnerstag und
Freitag ist ob der zahlreichen anderen Modellergebnisse eher fraglich.
Hochdruckeinfluss ist dabei vor allem im Norden zeitweise zu erwarten. In der
Südhälfte dagegen sind meist feuchtere Luftmassen unterwegs, sodass dort mit
einigen Niederschlägen zu rechnen ist. Der genaue Fahrplan muss aber aufgrund
der unterschiedlichen Simulationen der Modelle mit weiteren Läufen erst noch
festgezurrt werden.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


EFI weist keine Signale für signifikante Wettererscheinungen auf.

Allerdings birgt die sich einstellende Wetterlage im Verlauf der Woche vor allem
in der Südhälfte wieder zunehmend Gefahr für markante Gewitter mit lokalem
Starkregen, starken bis stürmischen Böen und kleinkörnigem Hagel. Insbesondere
in der erweiterten Mittelfrist sind auch unwetterartige Entwicklungen denkbar.
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Basis für Mittelfristvorhersage
EZMW, EZMW-EPS. Am Donnerstag und Freitag aufgrund der Einzellösung des EZWM
bevorzugt MOSMIX.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Simon Trippler