Thema des Tages

08-07-2020 17:20

Windiges Wetter mitten im Hochsommer - Woran lag das?

Am vergangen Sonntag und Montag war es vielerorts ziemlich windig und
das Wetter erinnerte eher an Frühherbst als an Hochsommer. Im
heutigen Tagesthema gehen wir den Ursachen hierfür auf den Grund.

Wenn Sie nicht gerade im Süden von Deutschland waren, haben Sie es am
vergangenen Sonntag und Montag sicher bemerkt, dass Ihnen ein
kräftiger und teils böiger Wind um die Ohren pfiff, an Nord- und
Ostsee war es sogar richtig stürmisch, sodass dort wenig Badestimmung
aufkam. Und das mitten im Hochsommer, also in einer Jahreszeit, in
der solch windiges Wetter eher unüblich ist. Deshalb schauen wir uns
heute im Nachgang diese recht ungewöhnliche Wetterlage genauer an.
Dabei werden wir feststellen, dass die Böen am Sonntag und Montag
durchaus unterschiedliche Ursachen hatten.

Werfen wir zunächst einen Blick auf die Spitzenböen (stärkste Böe des
Tages). An beiden Tagen zeigt sich ein ähnliches Bild. Sowohl am
Sonntag (5. Juli) als auch am Montag (6. Juli) kam es vor allem im
Norden und in der Mitte Deutschlands verbreitet zu steifen
(Windstärke 7) oder stürmischen Böen (Windstärke 8), an den Küsten
von Nord- und Ostsee traten sogar (schwere) Sturmböen (Windstärke 9
bis 10) auf (Abb. 1+2).

Bevor wir uns die einzelnen Tage im Detail ansehen, klären wir zum
leichteren Verständnis zunächst, wie Wind und dessen Böigkeit
entsteht. Grundsätzlich ist die Natur stets bestrebt, Gegensätze in
der Atmosphäre auszugleichen. Haben sich nun Hoch- und
Tiefdruckgebiete gebildet, übernimmt der Wind die Rolle, die fehlende
Luft in Tiefdruckgebieten und den Überschuss in Hochs auszugleichen.
Dabei weht der Wind umso stärker, je größer die Druckunterschiede
zwischen Hoch und Tief auf einer gewissen Distanz sind. Insbesondere
die mittlere Windgeschwindigkeit (Mittelwind) ist eng an die
großräumige Druckverteilung gekoppelt. Für die Böigkeit spielen
weitere Faktoren eine Rolle (nähere Details im Tagesthema vom 7.
Juni). Ein wichtiger Faktor ist die thermische Schichtung. Ist die
Luft in höheren Atmosphärenschichten deutlich kälter als in
Bodennähe, spricht man in der Meteorologie von einer labilen
Schichtung (im Gegensatz zur stabilen Schichtung). Auch diese
Unterschiede versucht die Atmosphäre auszugleichen, indem die warme
Luft aufsteigt und zum Ausgleich die kalte Luft absinkt (vertikale
Umlagerungen). Da der Wind in der Höhe gewöhnlich stärker weht als in
Bodennähe, werden die hohen Windgeschwindigkeiten aus größeren Höhen
"heruntergemischt". Dadurch entstehen Böen, also plötzliche kräftige
Windstöße.

Kommen wir nun zum Sonntag. Das für Juli recht knackige Sturmtief
VERENA zog von Schottland nach Norwegen. Am frühen Nachmittag (14 Uhr
MESZ) lag es etwa bei Bergen ("T" in Abb. 3). Demgegenüber dehnte
sich ein Keil des Azorenhochs bis in den Süden Deutschlands aus. So
entstand über Deutschland ein für den Hochsommer beachtlicher
Luftdruckunterschied - zwischen Sylt und Basel stolze 20 hPa! Im
Norden und in der Mitte war der Druckunterschied größer als im Süden.
Damit haben wir den "Täter" für das regelrechte "Dauergebläse"
identifiziert. Die Kaltfront von Tief VERENA griff erst am Nachmittag
von der Nordsee auf Deutschland über. Zuvor wurde es trotz des Winds
mit 25 bis 29 Grad sommerlich warm, nur im Nordwesten war es mit 19
bis 24 Grad schon etwas kühler. Zusätzlich zum zeitweise frischen
Wind (Mittelwind) war der Wind auch recht böig, sodass es - für Juli
eher unüblich - verbreitet und vor allem wiederholt zu starken,
vereinzelt auch stürmischen Böen kam. Allerdings wären bei derartigen
Mittelwinden durchaus deutlich heftigere Böen denkbar. Dass es dazu
nicht kam, lag an der thermischen Schichtung der subtropischen
Luftmasse. In 500 hPa (etwa 5,7 km Höhe) war die Luft für diese Höhe
mit -6 bis -8°C sehr "warm". Die Atmosphäre war also sehr stabil, was
noch stärkere Böen verhinderte. Zudem befand sich in etwa 1,5 km Höhe
eine Inversion (Temperaturanstieg mit der Höhe), die hochreichende
vertikale Umlagerungen unterdrückte. Das erklärt auch, warum es an
der Kaltfront kaum nennenswerten Regen gab. Allerdings formierte sich
im Vorfeld der Kaltfront in etwa einem Kilometer Höhe ein
Starkwindband (ein "Low-level Jet"), sodass uns selbst kleinere
vertikale Umlagerungen ohne Niederschlag immerhin starke bis
stürmische Böen bescherten. Noch stärkere Böen gab es nur auf den
Mittelgebirgsgipfeln (z.B. 110 km/h auf dem Brocken) und an der
Küste, da dort der Wind über der See nicht durch Hindernisse
abgebremst wird.

Bis zum Montag änderte sich die Wetterlage. VERENA zog nordostwärts
nach Schweden und Deutschland gelangte auf die Rückseite. Ihre
Kaltfront erreichte bis zum Nachmittag die Alpen. Sie verdrängte die
subtropische Luft nach Süden und es strömte mit einem nordwestlichen
Wind polare Meeresluft ein. So wurde auch im Süden die 20-Grad-Marke
nur noch wenig überschritten, im Norden und Nordwesten war es mit 17
bis 19 Grad relativ kühl. Mit dem abziehenden Tief nahm der
Druckunterschied über Deutschland ab, er betrug am Nachmittag
zwischen Rügen und Basel nur noch 13 hPa. Gegenüber Sonntag wehte
folglich der Mittelwind etwas schwächer. Dennoch kam es erneut vor
allem im Norden und in der Mitte zu ähnlichen, an manchen Orten sogar
noch etwas stärkeren Spitzenböen als am Vortag. Dies ist, anders als
am Sonntag, durch die nun hinreichend labile Schichtung zu erklären.
Denn mit Durchschwenken des Höhentrogs sank die Temperatur in der
Höhe deutlich stärker als am Boden. Wo es am Sonntag in 500 hPa noch
-6 bis -8°C warm war, sank die Temperatur in der Nordhälfte
Deutschlands dort binnen 24 Stunden auf -20 bis -23°C (Abb. 4).
Dadurch kam es zu hochreichenden vertikalen Umlagerungen, die sich in
zahlreichen Schauern und einzelnen Gewittern äußerten. Am Montag
traten also vor allem im Umfeld dieser Schauer die stärksten Böen
auf.

Seit dem gestrigen Dienstag sind bezüglich des Winds wieder ruhigere
Zeiten angebrochen und das wird auch bis zum morgigen Donnerstag so
bleiben. Erst am Freitag könnte mit dem Überbleibsel des
Ex-Tropensturms "Edouard" wieder etwas mehr Wind zu spüren sein.


Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 08.07.2020

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