Thema des Tages

26-08-2020 08:50

"Kirsten" - ein Herbststurm im Sommer

Gestern zog das Sturmtief "Kirsten" über die Britischen Inseln und
den Ärmelkanal hinweg. Am heutigen Mittwoch sorgt es nun auch in
Deutschland für stürmisches, herbstlich anmutendes Wetter.


Bereits in der Nacht zum gestrigen Dienstag (25.08.2020) brachte sich
Tief "Kirsten" vor Irland in Stellung. Dabei konnten an der irischen
Westküste bereits erste Sturmböen gemessen werden, ausgangs der Nacht
verzeichneten einzelne Stationen sogar schwere Sturmböen über 90
km/h.


Im Verlauf des Dienstags zog der Tiefkern von "Kirsten" unter
weiterer Intensivierung über Irland und die Irische See hinweg in
Richtung Newcastle im Nordosten Englands. Der Kerndruck schaffte es
dabei auf Werte knapp unter 980 Hektopascal, was für die Jahreszeit -
wir befinden uns ja immerhin noch im Sommer - schon nicht schlecht
ist. Das Sturmfeld von "Kirsten", die in Großbritannien übrigens auf
den Namen "Francis" getauft wurde, ergriff dabei die Britischen
Inseln. Über Land blies der Wind mit Böen bis Sturmstärke, besonders
in Wales wurden sogar Böen über 100 km/h gemessen. Eine südlich von
Irland vorgelagerte Boje meldete laut dem irischen Wetterdienst "Met
Éireann" um 10 UTC (12 Uhr MESZ) eine Windgeschwindigkeit von 124
km/h (Orkanstärke!).


In der Nacht zum heutigen Mittwoch kam "Kirsten" weiter ostwärts
voran und zog mit ihrem Kern in die Nordsee. Dabei konnten bereits
erste Abschwächungstendenzen festgestellt werden, füllte sich das
Tief doch allmählich auf. Eine wirkliche Abschwächung konnten die
Menschen in Benelux und im Norden Frankreichs nicht spüren. Dort nahm
"Kirsten" erst so richtig Fahrt auf. Die maximalen
Windgeschwindigkeiten wurden in den jeweiligen Küstenregionen mit
über 100 km/h gemessen. Das Cap Gris-Nez, eine Landspitze im Norden
Frankreichs, vermeldete gegen Mitternacht sogar Böen von 126 km/h.
Aber auch im Landesinnern stürmte es in der Nacht. Nicht
verwunderlich, dass heute Morgen bereits erste Schadensmeldungen wie
umgestürzte Bäume und beschädigte Häuserfassaden aus unseren
Nachbarländern in den sozialen Netzwerken kursierten.


Auch im Westen Deutschlands machte sich das Sturmfeld bereits in der
zweiten Nachthälfte und in den Frühstunden bemerkbar, über die höher
gelegenen Berglagen pfiff der Wind bereits seit den gestrigen
Abendstunden. Die Stationen Geilenkirchen und Nörvenich (beide
Nordrhein-Westfalen) verzeichneten heute früh bereits Böen von bis zu
90 km/h. An der Spitze steht aber wenig überraschend der Brocken, der
um 05 UTC (07 Uhr MESZ) eine Böe mit 130 km/h registrierte. Was den
Kerndruck angeht, konnte sich das Tief weiter auffüllen und wies im
Bereich der Deutschen Bucht immerhin noch einen Wert von 990
Hektopascal.


Erste Auswirkungen werden auch in Deutschland gemeldet. In NRW dürfen
Eltern selbst entscheiden, ob sie ihr Kind zur Schule schicken, der
Zoo in Wuppertal bleibt ganztags geschlossen. Aber auch die
Feuerwehren und der Katastrophenschutz sind bereits im Einsatz. Ein
Sandsturm sorgte auf der A44 zwischen Kreuz Holz und Jackerath für
viel Staub und schlechte Sicht. Dabei kippte ein LKW-Anhänger um, die
Autobahn musste gesperrt werden. Dauereinsatz auch für die
Feuerwehren in der Eifel. Dort mussten Landstraßen freigeräumt
werden. In Altrip (Rheinland-Pfalz) fiel ebenfalls ein Baum auf eine
Landstraße und riss einen Strommast mit auf die Fahrbahn. Und auch
bei der Bahn kommt es zu Störungen im Betriebsablauf: Bei Ennepetal
ist ein Baum auf die Gleise gestürzt, einige Strecken sind bereits am
Vormittag gesperrt.


Am heutigen Mittwochnachmittag verlagert "Kirsten" ihren Schwerpunkt
unter weiterer Abschwächung über das Grenzgebiet Deutschland-Dänemark
hinweg in die Ostsee. Das Sturmfeld verlagert sich dabei über die
Mitte in den Osten Deutschlands. In der Fläche treten dabei meist
Böen bis Sturmstärke (bis 85 km/h) auf. Allerdings steigt im
Nachmittagsverlauf auch vereinzelt die Gefahr turbulenter
Umwälzungen. Bei kräftigen Schauern und einzelnen Gewittern könnten
dann vor allem in einem Streifen von der Nordsee bis zum Erzgebirge
die weiterhin recht kräftigen Höhenwinde zu Boden gemischt werden.
Entsprechend sind in einem solchen Fall lokal eng begrenzt auch Böen
im orkanartigen Bereich über 100 km/h denkbar.


Im Verlauf der ersten Nachthälfte zum Donnerstag lässt der Wind dann
aber allmählich nach. Bis in die Frühstunden können vor allem an der
Nordsee sowie von der Ostsee bis zum Erzgebirge noch starke bis
stürmische Böen auftreten, vereinzelt sind Sturmböen möglich. Die
Gewitter beschränkten sich in der Nacht meist auf die Küstenregionen
im Norden. Dort muss aufgrund der warmen See auch in der Nacht mit
einzelnen Gewittern gerechnet werden.

MSc.-Met. Sebastian Schappert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 26.08.2020

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