Thema des Tages

10-09-2020 06:20

Bundesweiter Warntag

Der Deutsche Wetterdienst ist zwar nicht unmittelbar am bundesweiten
Warntag beteiligt, aber wir geben beinahe täglich Warnungen vor
Wettergefahren heraus, die unter anderem in die Warn-App NINA
fließen.

Heute wird zum ersten Mal in Deutschland ein bundesweiter Warntag
abgehalten. Der Sinn besteht darin, die Bevölkerung auf die
Warnmöglichkeiten und Signale aufmerksam zu machen und die
Funktionsweise der bundesweiten Auslösung unter realistischen
Bedingungen zu erproben. Im Zuge des Warntages wird gegen 11 Uhr ein
Warnsignal durch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und
Katastrophenhilfe mittels MoWaS (modulares Warnsystem) herausgegeben.
Diese Auslöse spricht alle Warnmittel und Warnmultiplikatoren in
Deutschland an, die, sofern sich deren Betreiber zur Mitwirkung
bereit erklärt haben, unmittelbar zum Einsatz kommen. Gegen 11.20 Uhr
erfolgt die Entwarnung.

Der Deutsche Wetterdienst ist zwar nicht unmittelbar am bundesweiten
Warntag beteiligt, allerdings veröffentlichen wir je nach Wetterlage
beinahe täglich Warnungen vor Wettergefahren. Diese Warnungen können
jederzeit kostenfrei auf den Webseiten sowie in der WarnWetter App
des Deutschen Wetterdienstes verfolgt werden. Ist eine größere Region
von einem extremen Unwetter betroffen, so wird zu den DWD-üblichen
Warnkanälen auch eine Warnung über MoWaS ausgegeben. Bis es
allerdings zu einer Warnung kommt, schauen sich mehrere Meteorologen
über viele Tage hinweg die Wetterlage an und entscheiden in mehreren
Schritten wovor, ob und wann gewarnt wird.

Schritt 1 beginnt mittelfristig etwa 6 Tage vor einem Warnereignis.
Bis zu diesem Tag kann man mithilfe probabilistischer
Ensemble-Verfahren auf Grundlage des europäischen Globalmodells
(EZMW) schon einmal grob vorpeilen, ob ein markantes oder
Unwetter-Ereignis zu erwarten ist. Mit der Ensemblemethode lassen
sich von einem Modell zahlreiche Vorhersageszenarien simulieren und
daraus Eintrittswahrscheinlichkeiten für bestimmte Ereignisse
ableiten. Sollten diese Berechnungen Signale für markante oder
Unwetter-Ereignisse aufweisen, wird die Konsistenz durch einen
Vergleich mit den vorangegangenen Modellläufen überprüft. Daraus wird
eine erste Wahrscheinlichkeit für das Eintreten eines warnwürdigen
Ereignisses abgeleitet und in der Wochenvorhersage Wettergefahren
zusammengefasst.

Schritt 2 liegt drei Tage vor der zu erwartenden Unwetter-/Warnlage.
Hier werden erneut stochastische Modellergebnisse bemüht und auf die
Signale des zuvor erkannten Ereignisses hin überprüft. Der
Meteorologe vergleicht die Ensembleergebnisse der verschiedenen
Modelle (EZMW, DWD ICON und COSMO, GFS) inklusive der
Wahrscheinlichkeiten mit dem Output der deterministischen Modellläufe
und formuliert daraus einen ersten groben Unwetterhinweis. Sind die
Übereinstimmungen in den Modellen und den zugehörigen Ensembles groß,
kann bereits eine Region und eine erwartete Warnstufe angegeben
werden. Dies wird zunächst in den täglich mehrfach zu erstellenden
Wetterberichten textlich verarbeitet und in einem ersten
prognostischen (Un-) Wetterwarnszenario festgehalten. Weichen die
Modelle oder die einzelnen Modellläufe sehr voneinander ab, muss auf
die Unsicherheit für das Auftreten eines markanten oder
Unwetter-Ereignisses hingewiesen werden. Dies geschieht durch die
drei Wahrscheinlichkeitsaussagen: gering wahrscheinlich,
wahrscheinlich und sehr wahrscheinlich.

Zwei Tage vor dem Ereignis, also im meteorologischen
Kurzfristzeitraum, folgt Schritt 3. Nun stehen auch die fein
aufgelösten Lokalmodelle wie COSMO-D2 und Euro4 zur Verfügung. Sie
liefern oft die notwendigen Details zur Eingrenzung des Warngebietes.
Nach der Sichtung der Modelldaten werden erneut die zugehörigen
Ensembles hinzugezogen und das Warnszenario vom Vortag konkretisiert
oder verworfen. Nicht selten liefern die Lokalmodelle auch erst den
wirklichen Input für die Ausprägung der zu erwartenden Warnlage.
Gerade bei Gewitterlagen, die von den grob aufgelösten Globalmodellen
oft konturlos dargestellt werden und großen Schwankungen zwischen den
einzelnen Modellläufen unterliegen, liefern die zeitnäheren
Lokalmodelle erst einen realistischeren Eindruck über die
voraussichtliche Intensität und die am ehesten betroffene Region.

In Schritt 4, ca. 24 Stunden vor einem Ereignis, führen eine erneute
Modell- und Ensembleanalyse sowie bei großräumigen Ereignissen auch
eine Sichtung der Punktprognosen aus dem MOS (Model Output
Statistics) zu einem Wetterwarnentwurf. Wird eine großräumige
Unwetterlage erwartet, erfolgt die Ausgabe einer "Vorabinformation
Unwetter". Diese weist mehrere Stunden vor dem eigentlichen Ereignis
auf eine potenziell gefährliche Wetterlage hin und bietet der
Bevölkerung die Möglichkeit, sich darauf vorzubereiten.

Der letzte Schritt 5 setzt 6 bis 12 Stunden vor einem Ereignis, also
im Kürzestfristvorhersagezeitraum, ein. Der Warnentwurf wird noch
einmal überprüft und gegebenenfalls angepasst. Hierzu werden nicht
mehr nur Modelle und Statistiken bemüht. Jetzt fließt auch das
aktuelle Wetter in Form von Messwerten, Radar-, Blitz- und
Satellitendaten sowie automatischen Warnsystemvorschlägen und die
Analyse von Wetterfronten in die zu konkretisierende Wetter- oder
Unwetterwarnung mit ein. Ein Start- und Endzeitpunkt wird festgelegt
und die Warnstufe bestimmt, um für die jeweilige Region eine amtliche
Warnung auszugeben.

Ist eine Wetterwarnung ausgegeben, wird diese schließlich vom
Warnmeteorologen im Nowcasting laufend überwacht und bei Bedarf
angepasst.

Dipl.-Met. Jacqueline Kernn
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 10.09.2020

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