Thema des Tages

20-09-2020 08:20

Wenn das Alphabet ausgeht...


Die diesjährige Hurrikansaison zählt zu den aktivsten seit Beginn der
Aufzeichnungen. Da kann einem bei der Benennung der Stürme schon mal
das Alphabet ausgehen.


Sie sind nicht mehr aus den Wetterkarten wegzudenken: Namen für Hoch-
und Tiefdruckgebiete. Die Idee dazu, Druckgebilde, die einen Einfluss
auf unser Wettergeschehen in Deutschland haben, zu benennen, hatte
1954 Karla Wege, damalige Studentin des Instituts für Meteorologie
der Freien Universität (FU) Berlin.

Vorreiter diesbezüglich waren allerdings die USA. Der US-Wetterdienst
begann bereits im Zweiten Weltkrieg damit, Taifune, also tropische
Wirbelstürme über dem Pazifik, mit Vornamen zu versehen. Der Grund
hierfür war recht simpel: Man konnte dadurch deutlich leichter den
Überblick über das aktuelle Wettergeschehen behalten. Dies machte
sich vor allem dann bezahlt, wenn nicht nur ein, sondern gleich
mehrere Taifune unterwegs waren. Diese Vorgehensweise war so
erfolgreich, dass man sich entschied, in Zukunft auch Hurrikane
(tropische Wirbelstürme über dem Atlantik mit Mittelwinden über 118
km/h) zu benennen.

Nach einigen Weiterentwicklungen dieses Benennungsprozesses werden
seit 1979 alle tropischen Stürme über dem Nord- und Zentralatlantik
(Mittelwinde über 60 km/h) mit männlichen und weiblichen Vornamen
versehen. Im Gegensatz zu Deutschland, wo man bei der FU Berlin ein
Hoch oder Tief gegen Bezahlung taufen lassen kann, sind die Namen der
Tropenstürme durch die WMO (Weltorganisation für Meteorologie)
vorgegeben. Sie entwickelte sechs Namenslisten, wobei pro
Kalenderjahr eine Liste genutzt wird. 1979 startete man mit Liste 1,
1980 wurde Liste 2 genutzt und 1984 schließlich Liste 6. Darauf
wiederholt sich dieser Listendurchlauf, d.h. 1985 kam wieder Liste 1
zum Einsatz. In diesem Jahr wird auf Liste 6 zurückgegriffen.

Jede Liste beinhaltet dabei 21 Namen, beginnend mit allen Buchstaben
des Alphabets außer Q, U, X, Y und Z (mit diesen Anfangsbuchstaben
gibt es kaum Namen bei den "Amis"). Der erste Tropensturm dieses Jahr
hieß somit Arthur (aktiv vom 16. bis 19.05.) und der letzte dieser
Liste Wilfred, der seit letztem Freitag über dem offenen Atlantik
unterwegs ist. Bisher gab es in diesem Jahr 23 Tropenstürme, darunter
8 Hurrikane.

Äh, 23 Stürme bei 21 Namen? Ja! Für diesen ungewöhnlichen Fall, der
bis dato nur 2005 vorkam (damals 28 Tropenstürme), hat die WMO
vorgesorgt und bringt schlicht und ergreifend das griechische
Alphabet ins Spiel. Das bedeutet, der nächste Tropensturm nach
Wilfred wurde Alpha getauft, also wie der erste Buchstabe des
griechischen Alphabets. Auch Beta wurde bereits vergeben und
bezeichnet nun einen Tropensturm, der derzeit seine Kreise über dem
Golf von Mexiko zieht. Da die atlantische Hurrikansaison allerdings
offiziell von Juni bis November dauert (wobei rund 95 % der Stürme im
Mittel zwischen Mitte August und Ende Oktober auftreten), ist es mehr
als wahrscheinlich, dass das Griechische Alphabet noch weiter
ausgeschöpft werden muss. Die nächsten Namen wären demnach Gamma,
Delta und Epsilon.

Änderungen an den Namenslisten gibt es übrigens nur, wenn ein
besonders schadensträchtiger Sturm gewütet hat. Dann wird dieser Name
durch die WMO gestrichen und neu besetzt. So erging es beispielsweise
2005 Katrina.

Eine Übersicht über die Namenslisten finden Sie beispielsweise auf
den Seiten des Nationalen Hurrikan Zentrums (https://bit.ly/33JbnmT).
Der Autor blickt auf jeden Fall schon gespannt auf 2022. Dann könnte
Tropensturm Tobias über dem Atlantik wirbeln. Hoffentlich muss der
Name daraufhin nicht gestrichen werden...

Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 20.09.2020

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