Thema des Tages

23-09-2020 07:50

Die Bannerwolke in der Wissenschaft

Seit Hunderten von Jahren suchen Wissenschaftler nach einer Erklärung
für das Phänomen der sogenannten "Bannerwolke". Hier ein Überblick
über die wissenschaftliche Geschichte der faszinierenden Wolke.

Nach der Definition im "Glossary of Meteorology" (deutsch: Glossar
der Meteorologie) nach dem amerikanischen Meteorologen Todd S.
Glickman handelt es sich bei einer Bannerwolke um eine fahnenartige
Wolkenstruktur, welche sich häufig stromabwärts von isoliert
stehenden, hochaufragenden Berggipfeln erstreckt. Selbst an generell
wolkenfreien Tagen kann dieses beeindruckende Phänomen an Gebirgen
wie dem Säntis und dem Matterhorn in der Schweiz, dem Mount Everest
im Himalaja-Gebirge in Nepal und China oder auch an lang gezogenen
Bergrücken wie dem Zugspitzgrat in Deutschland beobachtet werden. Die
wundervollen Schnappschüsse, die im Anhang an das Thema des Tages
unter https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2020/9/23.html zu
finden sind, zeigen eine Bannerwolke am Matterhorn und wurden von
meiner Kollegin Magdalena Bertelmann bei einer Wanderung im Jahr 2014
aufgenommen. Dabei wird das Matterhorn im Bild von rechts angeströmt,
die Wolke liegt links im Lee auf der windabgewandten Seite.


Gegen Ende des 18. Jahrhunderts um das Jahr 1785 wurden Bannerwolken
von einem französischem Physiker Marcellin du Carla noch als
"Schmarotzerwolken" bezeichnet. Über ihre Entstehung konnte damals
jedoch nur wild gerätselt werden. Eine anfängliche Hypothese stellte
die Wolke gar als Dampf dar, der von einem unterirdischen Feuer
genährt wird.


Franz von Paula Schrank, einem Professor für Kameralwissenschaft mit
den Schwerpunkten Landwirtschaft, Bergbau, Forstwirtschaft und
Naturgeschichte an der ersten bayerischen Universität in Ingolstadt,
zweifelte diese These einige Jahre später jedoch aus mehreren Gründen
an: Zum einen sei es schwer, zu erklären, wie ein unterirdisches
Feuer über Jahrtausende fortbrennen könne, ohne durch die
auflastenden Berge zu ersticken oder wegen aufgebrauchter
Brennstoffquellen auszugehen. Darüber hinaus passe der "ewige Schnee"
nicht mit dieser Erklärung zusammen, denn dessen weiße Oberfläche
reflektiere das Sonnenlicht und käme als Wasserlieferant somit nicht
infrage. Vielmehr müsse der "Dunst", also die Wassertröpfchen der
Wolke, aus den umliegenden Niederungen stammen und würde von den
Bergen angezogen. Wenn der Wind den Dunst nun "beunruhige", würde
sich dieser hinter den Berg legen. Die am Berg hängende Wolke
enthalte darüber hinaus - wie übrigens jede Wolke - sogenannte
"Feuerteilchen", die an den kalten Berg abgegeben würden, wodurch
sich dieser erwärme. Folglich rückten die "Feuerteilchen" nahe am
Berg enger zusammen und die Wolke erschiene dort dichter als in
einiger Entfernung davon.


Etwa ein Jahrhundert später unternahm der häufig als Begründer der
modernen Meteorologie bezeichnete Julius Ferdinand von Hann zusammen
mit Kollegen im Jahr 1896 den Versuch einer weiteren
wissenschaftlichen Beschreibung, welche neben der Skizze einer
Bannerwolke am großen Wiesbachhorn in Österreich auch eine
Entstehungshypothese beinhaltete. Diese basierte auf der Existenz
eines sogenannten "Lee-Rotors", in dem die Luft langsam kreisend auf
der windabgewandten Seite des Berges ansteigt.


Trotz der Häufigkeit ihrer Erscheinung - der Universitätsprofessor
und Leiter des Instituts für Physik der Atmosphäre Volkmar Wirth
zählte zusammen mit Kollegen laut einer Veröffentlichung aus dem Jahr
2012 durchschnittlich 8 bis 12 Ereignisse pro Sommermonat an der
Zugspitze - war das wissenschaftliche Interesse am
Entstehungsmechanismus der Bannerwolke und den zugrunde liegenden
dynamischen und thermodynamischen Prozessen in den folgenden
einhundert Jahren sehr zurückhaltend und eher spekulativer Natur.


Folglich sind weitere, auf Beobachtungen stammende Veröffentlichungen
rar und stammen unter anderem von den Meteorologen Wilhelm Peppler
aus dem Jahr 1927 und Joachim Küttner aus 2000. Der Meteorologe und
Professor an der Universität in Köln Jan Schween kombinierte zusammen
mit Kollegen im Jahr 2007 schließlich Messungen mit Filmen von
Bannerwolken im Zeitraffer und erstellten eine umfangreiche
Definition der Bannerwolke. Dieser Definition nach darf die
Bannerwolke ausschließlich auf der windabgewandten Seite des Berges
auftreten und muss Kontakt zu seiner Oberfläche haben. Ihre
Konsistenz sollte sich aus kondensiertem Wasserdampf zusammensetzen,
um die Wolke nicht mit einem Schneebanner zu verwechseln, bei welchem
Schnee- und Eiskristalle vom Gipfel verweht werden. Die Lebensdauer
der Bannerwolke muss darüber hinaus die Zeit überdauern, welche ein
Luftpaket benötigt, die Bannerwolke horizontal zu durchlaufen und
befindet sich in der Größenordnung von einer Stunde. Des Weiteren
darf die Bannerwolke primär keinen konvektiven Charakter besitzen.
Das Aufsteigen der Luftmassen ist demnach nicht durch den Auftrieb
bedingt, sondern durch dynamisch erzwungene Hebung im Lee des Berges.



Wie genau der Mechanismus nun letztlich aussieht, der für die
Bannerwolkenbildung verantwortlich ist und was eine Arbeitsgruppe der
Mainzer Gutenberg-Universität damit zu tun hat, erfahren Sie in einem
der nächsten Themen des Tages an dieser Stelle.


MSc.-Met. Sebastian Schappert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 23.09.2020

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