Thema des Tages

08-08-2016 14:40

Wetterlagenklassifikation - ein anderer Blick auf den bisherigen
Sommer!

Jeder kennt ihn, viele erwarten ihn: den Jahresrückblick des Wetters!
Im Regelfall behandelt er die drei meteorologischen Parameter
Temperatur, Niederschlag und Sonnenscheindauer. Ob regional
aufgeschlüsselt oder doch deutschlandweit gültig werden besondere
Ereignisse sowie Mittelwerte und deren Abweichungen detailliert
präsentiert. Insgesamt hat diese Art von Klimaüberwachung die Aufgabe
die zurückliegende Witterungsperiode zu bewerten. Welche
atmosphärischen Bedingungen für die vorherrschende Witterung
ausschlaggebend waren, werden jedoch oftmals in den Berichten nur
sehr kurz abgefasst. Doch gerade die Luftdruckverteilung in
Meereshöhe sowie der mittleren Troposphäre (Großwetterlage) in einem
großen Gebiet (z.B. Europa plus Teile des Nordatlantiks) und über
eine Dauer von mehreren Tagen sind für das Wetter von wesentlicher
Bedeutung.

Allgemein bestimmt eine Großwetterlage den wesentlichen Charakter
eines Witterungsabschnittes und ist daher nachhaltig für die
auftretenden Wetterphänomene verantwortlich. Mit der Klassifikation
dieser wird versucht, ein gewisses Maß an Systematik bzw.
Nachvollziehbarkeit in der Beschreibung des großräumigen
atmosphärischen Zustands zu schaffen. Schon vor mehr als 100 Jahren
begann man hierzu die mittlere Luftdruckverteilung in Meereshöhe,
später zusätzlich die mittleren atmosphärischen Verhältnisse in der
Troposphäre bis etwa 5 Kilometer Höhe, heranzuziehen. Anhand dieser
werden wiederkehrende atmosphärische Strömungsmuster, zum Beispiel
über Europa, zu Großwetterlagen zusammengefasst. Heute gibt es
verschiedene Methoden zur Wetterlagen-Klassifikation. Jede definiert
ihre eigenen Merkmale, nach denen die Einteilung erfolgt. Der DWD
verwendet derzeit 2 Wetterlagenklassifikationen: die subjektiv
bestimmten Großwetterlagen nach Hess und Brezowsky für das große
Gebiet Mitteleuropa und die objektive Wetterlagenklassifikation für
ein kleineres Gebiet, das im Wesentlichen Deutschland abdeckt.
Während die subjektive Klassifikation lediglich die
Luftdruckverteilung im Bodenniveau sowie die Strömungsverhältnisse
untersucht, werden bei der objektiven Analyse aus den
Gitterpunktwerten des Modells täglich verschiedene Indizes für
Windrichtung, Zyklonalität und Feuchtigkeit berechnet uns nach
bestimmten Grenzwerten eingeteilt.

Für großräumige statistische Untersuchungen sind die
Häufigkeitsangaben mancher Großwetterlagen nicht repräsentativ, da
der Umfang der einzelnen Kollektive auch bei der Betrachtung von über
100 Jahren zu gering ausfällt. Es gibt Fälle, bei denen die
Unterteilung in spezielle, mit Rücksicht auf die
Witterungsverhältnisse eng definierte Wetterlagen nicht benötigt
wird, ja sogar störend sein kann, so z.B. bei großräumigen
Zirkulationsuntersuchungen. In diesen Fällen kann man jeweils mehrere
verwandte Großwetterlagen zu Großwettertypen zusammenfassen. Dabei
werden schließlich nur noch zonale, meridionale sowie gemischte
Zirkulationsformen mit antizyklonalen oder zyklonalen Einfluss
unterschieden (siehe dazu entsprechende Einträge im Wetterlexikon auf
der Homepage des DWD). Dabei muss berücksichtigt werden, dass aus
meteorologischer Sicht neben der Strömungsrichtung auch die
vorwiegende Krümmung der Strömungsverhältnisse (Zirkulationsmuster)
für die Witterungsbedingungen entscheidend ist. Während antizyklonale
Krümmung meist eine Wetterberuhigung bedeutet, steht eine zyklonale
Krümmung für Hebung, also aufsteigende Luft und entsprechenden
Niederschlag. Doch was sagen uns die bisherigen Auswertungen für den
derzeitigen meteorologischen Sommer (Juni, Juli, August)?

Sehr auffällig bei der Betrachtung der subjektiven
Wetterlagenklassifikation für die Monate Juni und Juli ist, dass
überwiegend zyklonale Strömungsverhältnisse vorlagen. Im Juni traf
dies an 27 Tagen (90%) und im Juli an 21 Tagen (68%) zu. Über den
Monat Juni hinweg dominierte gleichzeitig eine meridionale
Zirkulation (19 Tage, 63%). Während in der ersten Monatsdekade die
Winde meist aus nördlichen Richtungen wehten, strömte die Luft im
weiteren Verlauf des Junis meist aus südlichen Richtungen nach
Deutschland. Passend zu überwiegend zyklonalen Verhältnissen sowie
der einströmenden feuchten Meeresluft entweder von der Nordsee oder
aus dem Mittelmeerraum fiel der erste Sommermonat aus
meteorologischer Sicht mit einer positiven Abweichung zum
vieljährigen Mittel von über 48% auch deutlich zu nass aus. Die
größten Auswirkungen auf das Wetter im Juni hatte die zyklonal
gekrümmte Strömung im Westen und Süden. Dort führte Tiefdruckeinfluss
wiederholt zu teils kräftigen Niederschlägen. Selbst etwas zu
trockene Verhältnisse traten lediglich in einem Streifen von
Mittelfranken über Thüringen und Teile Sachsen-Anhalts und
Brandenburgs hinweg bis zur Ostseeküste auf, konnten jedoch die
Einordnung des Juni 2016 als den 8.-feuchtesten in Deutschland seit
1901 nicht verhindern.

Der Juli fiel zwar im Niederschlagsflächenmittel mit einer zum
vieljährigen Mittel negativen Abweichung von etwa 19% etwas zu
trocken aus und somit auf den ersten Blick nicht wirklich zu den
überwiegend zyklonalen Verhältnissen passend, jedoch kann beim
zweiten, deutlich genaueren Blick durchaus ein Zusammenhang erkannt
werden. Denn die Niederschlagsmengen waren über den Sommermonat Juli
hinweg regional sehr ungleichmäßig verteilt. Während im Westen
teilweise weniger als 50% des durchschnittlichen Monatsniederschlags
fielen, wurden im Süden und Osten teils über 150% gemessen.
Verantwortlich für diese Niederschlagsverteilung war überwiegend eine
zonale Luftzirkulation (48%). Dabei gelangte die Luft auf der Ost-
bzw. Nordostflanke von hohem Luftdruck über West. bzw. Südwesteuropa
mit einer nordwestlichen bis westlichen Strömung nach Deutschland.
Während im Süden und Osten vor allem Stauniederschläge sowie ein Tief
mit einer "Vb" ähnlichen Zugbahn regional schließlich für teils enorm
hohe Regensummen sorgten, setzte sich im Westen und Südwesten
häufiger Zwischenhocheinfluss samt Wetterberuhigung durch. Zusätzlich
zu den zonalen Verhältnissen fielen jedoch auch die 13 Tage im Juli
(42%) mit einer meridionalen, also nördlichen oder südlichen
Strömungskomponente, eher unbeständig aus. In diesem Zeitraum
dominierten dabei zahlreiche Schauer und Gewitter das
Wettergeschehen. Ostwinde, die trockene Festlandsluft nach
Deutschland bringen würden, waren im bisherigen Sommerverlauf sehr
selten. Gleichermaßen konnte sich im bisherigen Verlauf auch kein
ausgeprägtes und stetiges Sommerhoch über Mitteleuropa festsetzen,
sodass längere trockene Phasen quasi nicht vorhanden waren.
Stattdessen überwog der wechselhafte, für die mittleren Breiten
jedoch durchaus normale "JoJo-Sommer".

Auch in den nächsten Tagen bleibt sich der Sommer treu. Nachdem zur
Wochenmitte der Herbst Deutschland einen Kurzbesuch abstattet und die
weiter zyklonalen Bedingungen für einen unbeständigen und kühlen
Wettercharakter sorgen, schlägt ab dem Wochenende der Sommer wieder
zurück. Ein Ausläufer des Azorenhochs lässt die Sonnenanteile und
auch die Temperaturen von Südwesten her wieder auf ein sommerliches
Niveau steigen.

Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 08.08.2016