Thema des Tages

20-10-2020 07:50

Klimakommunikation - Warum Wissenschaft (nicht immer) Wissen schafft

Warum lehnt ein relevanter Teil der Bevölkerung etablierte
wissenschaftliche Fakten ab? Welche Argumente werden von "Skeptikern"
gegen robuste Forschungsergebnisse vorgebracht und wie kann man ihnen
begegnen? Ein Ausflug in die Sozialwissenschaften?

Skeptisch zu sein, ist per se keine schlechte Eigenschaft: Dinge zu
hinterfragen und ihnen auf den Grund zu gehen ist vielmehr ein hohes
Gut der menschlichen Vernunft und Grundlage der wissenschaftlichen
Praxis. Doch was ist, wenn Skepsis in Misstrauen umschlägt und wenn
das Leugnen wissenschaftlicher Erkenntnisse als "Skepsis" vermarktet
wird?

Sätze wie "Das Klima hat sich schon immer geändert!", "Die Sonne
wirkt sich viel stärker auf den Klimawandel aus als unser
menschliches Tun!" oder "Die Wissenschaftler sind sich doch gar nicht
einig!" hört man häufig von Menschen, die den Klimawandel infrage
stellen. Wissenschaftliche Erkenntnisse werden von einem Teil der
Bevölkerung nach wie vor zurückgewiesen (- übrigens nicht nur
hinsichtlich des Klimawandels, wie die aktuellen Diskussionen beim
Thema Corona-Virus zeigen). Ist das nur ein Ergebnis mangelnden
Wissens und fehlender Informationen? "Nein" zeigen zahlreiche Studien
und belegen, dass das "Wissensdefizit" eher eine untergeordnete Rolle
spielt und die Ursache für Zurückweisung von wissenschaftlicher
Evidenz vielmehr eine weltanschauliche Motivation ist: Stellen
Forschungsergebnisse oder die sich daraus ergebenden
Schlussfolgerungen die tief verwurzelten Weltanschauungen infrage,
also grundlegende Vorstellungen darüber, wie Gesellschaften
organisiert werden sollten, wird eher die Forschung bestritten als
die eigene Weltanschauung korrigiert.

Häufig halten dann "alternative Fakten" Einzug in Debatten. Ein
grundlegendes Mittel der sogenannten Skeptiker ist dabei, eine
(vermeintliche) Kontroverse zu betonen. Dabei wird das Bild einer
Kontroverse auf zweierlei Weise geschürt: Zum einen diskreditieren
sie etablierte Wissenschaftler, zum anderen bringen sie eigene
angeblich "wissenschaftliche" Belege vor. Auch der "Rosinenpickerei"
wird sich gern bedient, bei der nur passende Argumente ausgewählt
werden, die aus dem Zusammenhang gerissen und alle Gegenbeweise
ausblendet werden. Wie also solche "alternative Fakten" widerlegen,
wenn Wissensvermittlung allein nicht ausreicht?

Ein erster wichtiger Punkt ist das Kommunizieren des bestehenden
Konsenses: Denn oft wird behauptet, es gäbe große Uneinigkeit
darüber, ob der Klimawandel stattfindet und ob er auch
menschengemacht ist. Dabei stimmen 97 Prozent (!) der von
Klimaexperten verfassten wissenschaftlichen Fachliteratur (die nach
einem strengen sogenannten "Peer-Review"-Verfahren begutachtet wird)
darin überein, dass hauptsächlich der Mensch die globale Erwärmung
verursacht. Dieser überwältigende, erdrückende wissenschaftliche
Konsens spiegelt sich jedoch nicht in der öffentlichen Wahrnehmung
wider: So wissen im Durchschnitt nur 67 Prozent der US-Bevölkerung,
dass sich Klimawissenschaftler darin einig sind; und nur 13 Prozent,
dass der Konsens unter Wissenschaftlern bei über 90 Prozent liegt.
Diese Diskrepanz zwischen dem tatsächlichen und dem wahrgenommenen
wissenschaftlichen Konsens ist kurios und bedenklich - könnte aber
auch eine Chance sein. Sicherlich ist das Informieren über den
Konsens kein Wundermittel, jedoch könnte es manchen Menschen helfen,
angemessene Schlussfolgerungen zu ziehen und der Wissenschaft mehr
Vertrauen zu schenken.

Eine zweite Kommunikationsstrategie bedient sich dem "vorbeugenden
Widerlegen", denn: Falsche Informationen bleiben haften. Sobald
jemand eine Fehlinformation verinnerlicht hat, ist es nachweislich
sehr schwer, sie zu korrigieren. Eine Irreführung kann jedoch
vermieden werden, wenn Personen auf Falschinformationen aufmerksam
gemacht werden, bevor diese sie erreichen. Das könnte beispielsweise
so aussehen: Erstens eine Warnung aussprechen, dass es Versuche gibt,
Zweifel über den wissenschaftlichen Konsens zu säen. Und zweitens
eine Erläuterung ergänzen, dass es eine der Methoden zum Vortäuschen
eines fehlenden Konsenses ist, eine große Gruppe "falscher Experten"
auftreten zu lassen. Wenn dann jemand auf die Falschinformation stößt
(der vorgetäuschte Dissens), kann diese durch die "Vorabwiderlegung"
schnell verworfen werden.

Viele Menschen in Deutschland und anderen europäischen Staaten sehen
zwar den Klimawandel als wichtiges Problem an, erwarten aber nur
geringe Risiken für sich selbst: Der Klimawandel wird als ein Problem
der fernen Zukunft oder von entfernten Orten wahrgenommen. Das zeigt
die Wichtigkeit, bei der Klimakommunikation auf die persönliche
Bedeutung hinzuweisen. Wenn Menschen über die emotionale Ebene
berührt werden (z. B. mit Hinweisen auf die erwartete Verknappung von
Schokolade oder das "Ende" des Skifahrens), sind sie häufig
handlungsbereiter. Allerdings sollten dabei alarmistische
Katastrophenszenarien vermieden werden, denn diese bleiben meist
wirkungslos. Viele Menschen fühlen sich dann überfordert und flüchten
sich in eine Abwehrreaktion: Diese kann vom Wunschdenken ("das wird
schon alles nicht so schlimm") über Fatalismus ("ich kann da sowieso
nichts machen") bis hin zum Wegschieben der Verantwortung ("die
Wirtschaft/die Politik soll etwas tun") reichen. Diese
Abwehrreaktionen können durch Überzeugung von der Wirksamkeit der
eigenen Handlungsmöglichkeiten reduziert werden.

Es ist also durchaus eine Herausforderung, wissenschaftliche
Erkenntnisse zu kommunizieren, oder besser gesagt: Wissenschaft so zu
kommunizieren, dass sie auch "Wissen schafft"? Die eine, perfekte
Kommunikationsstrategie gibt es dabei wohl nicht - und bei manchen
scheint jegliche Diskussion zugegebenermaßen auch vergebene
Liebesmüh. Doch vielleicht gelingt es uns und Ihnen, liebe
Leserschaft des Thema des Tages, mit eigenen kleinen Beiträgen die
gesellschaftliche Widerstandskraft gegen Fake News und Desinformation
zu erhöhen.

Übrigens: Diese und viele weitere Aspekte zum Thema
"Klimakommunikation" behandelt auch die gleichnamige Ausgabe der
DWD-Fortbildungszeitschrift promet (für Druck- und Online-Version
siehe Link unten). Dort sind auch die Quellen dieses Beitrags zu
finden. Informationen zum Klimawandel finden Sie auf der
DWD-Homepage, auf den Seiten klimafakten.de und skepticalscience.com
sind gängige Falschbehauptungen von Klimaskeptikern/-leugnern, sowie
deren Widerlegungen aufgeführt.

Dipl.-Met. Magdalena Bertelmann
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 20.10.2020

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