Thema des Tages

04-11-2020 08:20

Der Löffel der Atmosphäre

Unten kalt und trüb, oben warm und sonnig - eine Verteilung, die im
Winterhalbjahr bei windschwachen Hochdrucklagen auch mal mehrere Tage
andauern kann, bis letztlich die Atmosphäre zum Löffel greift und die
"Luftsuppe" kräftig umrührt.

Im Thema des Tages des gestrigen Dienstags wurden die Ursachen für
die ungewöhnlich warme Nacht zum vergangenen Montag unter die Lupe
genommen
(https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2020/11/3.html).
Zusammengefasst waren dies der Zustrom einer ziemlich warmen
Luftmasse aus Südwest, viele Wolken und ein lebhafter Wind. Auch in
den kommenden Monaten des Winterhalbjahrs wird es mit Sicherheit hin
und wieder Warmlufteinschübe geben, von denen wir am Boden teilweise
aber kaum bis überhaupt nichts mitbekommen werden. Das Stichwort an
dieser Stelle lautet: Inversionswetterlage!

Nachts strahlt der Boden Wärme ab und kühlt sich dadurch und aufgrund
der fehlenden Sonneneinstrahlung stärker ab, als die darüber
befindliche Luft in den untersten Atmosphärenschichten. In der Folge
nimmt die Temperatur in diesem Bereich mit der Höhe zu - man spricht
von einer sogenannten bodennahen Inversion, wobei mit "bodennah"
wenige hundert bis 2000 m über Grund gemeint sind. Die Luftschichten
innerhalb der Inversion sind von den darüber liegenden entkoppelt,
d.h. zwischen Ihnen kommt es zu keinem Luftaustausch mehr.

Im Sommer hat sich eine nächtlich ausgebildete Inversion meist schon
in den Vormittagsstunden wieder aufgelöst, da die recht steil
einfallende Sonnenstrahlung den Boden rasch erwärmt. Im Winter kann
sie sich dagegen aufgrund der langen Nächte und der nur flachen
Einstrahlung vor allem bei ruhigen, also windschwachen Hochdrucklagen
schon mal über mehrere Tage halten.

In den Niederungen ist eine Inversion auch häufig noch mit zum Teil
zähem Nebel oder Hochnebel verbunden, was die Temperatur nicht
wirklich aus dem Quark kommen lässt. Dazu können sich mangels
Austausch mit den darüber befindlichen Luftschichten
Schadstoffpartikel ansammeln, die einem besonders in den
Ballungszentren zu schaffen machen. Währenddessen scheint auf den
Bergen, oberhalb der Inversion, die wärmende Sonne. In der
Meteorologie spricht man in diesem Zusammenhang auch von einer
schlechten Durchmischung der Luftschichten. Bildlich gesprochen fehlt
bei einer solchen Wetterlage der Löffel, der diese "Suppe" mal so
richtig umrührt.

Die Rolle des Löffels kann zum Beispiel eine Kaltfront übernehmen.
Mit ihrem Durchzug wird die bodennahe "Kaltlufthaut" mit der darüber
befindlichen wärmeren Luft vermischt. Als Endergebnis befindet sich
nun am Boden wärmere und darüber vergleichsweise kältere Luft, die
Inversion wurde also abgebaut oder anders ausgedrückt: Die
Luftschichten sind nun deutlich besser durchmischt. Die Kaltfront
führt in diesem Fall also "paradoxerweise" zu einer Erwärmung über
dem Erdboden, weshalb diese im Fachjargon auch als "maskierte
Kaltfront" bekannt ist.

Zumindest beim Wetter darf man sich also in den kommenden Monaten auf
die ein oder andere "Maskerade" freuen. Ob das in diesen Zeiten
jedoch ein wirklicher Trost für alle Liebhaber der fünften Jahreszeit
ist, ist mehr als fraglich?

Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 04.11.2020

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