Thema des Tages

13-12-2020 09:50

Weibliche Tiefs und männliche Hochs gehen in den Endspurt

Die Zeit der weiblichen Tiefs und männlichen Hochs ist bald vorbei.
Im nächsten Jahr wechseln Hoch- und Tiefdruckgebiete ihr Geschlecht.
Aber wie kommen sie zu ihren (teils exotischen) Namen und welche
Hochs und Tiefs spielten sich 2020 in den Vordergrund?

Das Jahr 2020 neigt sich dem Ende entgegen und damit auch die Zeit,
in der Hochdruckgebiete männliche und Tiefdruckgebiete weibliche
Namen tragen. Zum Jahreswechsel geben die männlichen Hochs das Zepter
an die Frauen ab, während die Männer im kommenden Jahr den
Tiefdruckgebieten ihre Namen verleihen. Aber wie kommen die Hochs und
Tiefs, die unser Wetter bestimmen, zu ihren Namen, die man täglich
auf Zeitungswetterkarten oder in Radio- und Fernsehwetterberichten
hört?

Bereits seit dem Jahre 1954 tauft das Institut der Freien Universität
(FU) Berlin alle Hoch- und Tiefdruckgebiete, die das Wettergeschehen
in (Mittel)europa in irgendeiner Weise beeinflussen, mit männlichen
und weiblichen Vornamen. Inspiriert wurden sie dabei vom
US-Wetterdienst, der ab dem 2. Weltkrieg Taifunen im Pazifik
weibliche Vornamen gab und kurz darauf auch Hurrikane im Atlantik
benannte. Die FU Berlin erstellte Namenslisten mit Vornamen in
alphabetischer Reihenfolge und taufte anhand dieser Listen alle
relevanten Hochs und Tiefs chronologisch im Jahresverlauf. Fortan
trugen über viele Jahrzehnte Tiefs weibliche und Hochs männliche
Namen. Erst im Jahr 1998 bemerkte man, dass dies im Zuge der
Emanzipation schon lange nicht mehr zeitgemäß ist und entschloss
sich, unter anderem in Absprache mit dem Deutschen Wetterdienst, für
einen jährlichen Geschlechtertausch. Von nun an werden in geraden
Jahren Hochs mit Männernamen und Tiefs mit Frauennamen getauft, in
ungeraden Jahren ist es umgekehrt.

Eine weitere bahnbrechende Neuerung gab es im November 2002 - die
Aktion "Wetterpatenschaft" wurde ins Leben gerufen. Ab diesem
Zeitpunkt kann jeder von uns eine Wetterpatenschaft für ein Hoch oder
Tief im kommenden Jahr übernehmen. Da Hochs zumeist beständiger und
somit länger auf den Wetterkarten und in der Atmosphäre verweilen,
kostet für sie eine Patenschaft mit aktuell 360 Euro auch etwas mehr
als für Tiefs, für die man schon für 240 Euro der Namensgeber werden
kann. Für Wetterliebhaber ist dies ein gern gesehenes Geschenk, sei
es für die Partnerin zum Hochzeitstag, für einen Freund zum runden
Geburtstag oder für den Nachwuchs, der im kommenden Jahr das Licht
der Welt erblickt. Jeder Wetterpate hofft natürlich, dass er oder sie
ein ganz besonderes Druckgebilde bekommt. Aber ob es ein historisches
Orkantief oder eher ein kraftloses kurzlebiges Tief wird ist genauso
Glücksache wie die Frage, ob Sie Namensgeber eines Sommerhochs oder
ein Hochs werden, das statt Sonnenschein nur Novembergrau bringt.
Nach der "Taufe" erhalten Sie einen Patenschaftsurkunde mit der
Lebensgeschichte Ihres Druckgebildes sowie eine dazugehörige
Wetterkarte.

Wittern Sie nun die Chance für ein Weihnachtsgeschenk? Dann müssen
wir Sie wahrscheinlich enttäuschen. Die meisten Namen für das
kommende Jahr sind leider schon vergeben. Ist der Beschenkte
allerdings männlich und beginnt sein Vorname mit den Buchstaben "Q",
"X" oder "Y", dann können Sie noch ein Tief ergattern. Ansonsten muss
man bis zum kommenden Herbst warten, dann startet die Vergabe für das
Jahr 2022.

In diesem Jahr hatten schon zahlreiche Hochs und Tiefs beim Wetter
ihre Finger mit im Spiel. Bis heute tauften die Studenten der FU
Berlin 132 Tiefdruckgebiete, ANDIRA und BARBARA eröffneten kürzlich
den 6. alphabetischen Durchlauf. Letztere zieht aktuell über dem
nahen Ostatlantik ihre Kreise und bringt uns neben Regen in den
kommenden Tagen milde Temperaturen. Hochs gab es in diesem Jahr erst
51, voraussichtlich bekommen aber zumindest die ersten Wetterpaten
der 3. Jahresliste noch die Chance auf die Taufe eines Hochs.
Herausragende Tiefdruckgebiete waren in diesem Jahr die Orkantiefs
SABINE und VICTORIA. Erstere bescherte Anfang Februar weiten Teilen
West- und Mitteleuropas einen folgenschweren Sturm. VICTORIA kann
passend zum Namen voraussichtlich zur diesjährigen Siegerin für den
niedrigsten Luftdruck (in einem außertropischen Tief) in diesem Jahr
gekürt werden. Nur wenige Tage nach SABINE erreichte sie südlich von
Island mit etwa 920 hPa einen der tiefsten Luftdrücke über dem
Atlantik der letzten Jahrzehnte. Auch die Männer hatten 2020 Einiges
zu bieten. Hoch EKART sorgte am 20. Januar mit neuen
Luftdruckrekorden über 1050 hPa über Wales und Südengland für
Aufsehen und auch bei uns in Deutschland ließ er die Barometernadel
auf ungewohnte Druckwerte zeigen. DETLEF brachte uns Anfang August
die größte Hitzewelle des Jahres.

Die Wetterpaten und -patinnen sind sicherlich schon gespannt, wie
ihre männlichen Tiefs und weiblichen Hochs 2021 das Wetter
aufmischen.


Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 13.12.2020

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