Thema des Tages

11-01-2021 10:50

Kleine Synoptikkunde (8) - Die Geschichte von der Schichtung

In der Vorhersage spricht man oft von "labiler" und "stabiler"
Schichtung, um eine Luftmasse zu charakterisieren.
Doch was hat es damit eigentlich auf sich?
Das erklären wir im heutigen Kapitel der "Kleinen Synoptikkunde".

Wer von Ihnen schon mal auf einen höheren Berg gestiegen ist, kennt
das: Da oben kann es ziemlich kalt werden.
Doch warum ist das eigentlich so?
Nun, dabei spielen mehrere Faktoren eine Rolle.
Der erste ist die Schwerkraft der Erde.
Auch die Atmosphäre der Erde unterliegt der Schwerkraft und sorgt
dafür, dass der Luftdruck abnimmt, je höher man sich über der
Erdoberfläche befindet.
Dabei nimmt der Luftdruck mit der Höhe nicht etwa linear, sondern
exponentiell, das heißt immer schneller, ab.
Wer genauer wissen will, warum das so ist, dem sei einmal die
Recherche nach der sogenannten "Hydrostatischen Grundgleichung"
nahegelegt.

Zweitens sind Luftdruck, Dichte und Temperatur über die sogenannten
"Allgemeinen Gasgleichungen" miteinander verknüpft.
Diese beschreiben unter anderem, wie sich die Änderung einer der drei
Parameter auf die beiden anderen auswirkt, ohne dass das Gas dabei
Wärme mit seiner Umgebung austauscht.
Das Stichwort hier lautet "Adiabatische Zustandsänderung".
Kurz gesagt: Verringert man den Druck eines Gases, so sinken auch
seine Dichte und seine Temperatur.

Genau das würde passieren, wenn man ein gedachtes Luftpaket
aufsteigen ließe. Der Druck, und damit auch die Temperatur würden
fallen.
Doch um wieviel Grad fällt die Temperatur eigentlich genau?
Diese Frage lässt sich mit etwas mathematischer Spielerei unter
Hernahme des ersten Hauptsatzes der Thermodynamik und der
hydrostatischen Grundgleichung beantworten.
Das klingt jetzt kompliziert, aber am Ende stellt sich heraus, dass
genau zwei Faktoren die Temperaturabnahme mit der Höhe bestimmen: Die
Schwerebeschleunigung der Erde und die spezifische Wärmekapazität von
Luft.
Beides sind mehr oder weniger konstante Werte, somit ist auch die
Temperaturabnahme mit der Höhe eine Konstante. Sie beträgt nahezu 10
Grad pro Kilometer.

Natürlich hat auch diese Sache mal wieder einen Haken: Diese Werte
gelten nur für komplett trockene Luft. Dieser Zustand kommt aber in
der Realität nicht vor.
Lässt man Luft abkühlen, kondensiert irgendwann der in ihr enthaltene
Wasserdampf. Dieser Kondensationsprozess (Wolkenbildung) setzt
latente Wärme frei und verringert damit die Temperaturabnahme mit der
Höhe.
Um wieviel diese genau abnimmt, hängt von der Lufttemperatur selber
sowie der Menge an enthaltenem Wasserdampf ab. In unseren Breiten
kann man einen durchschnittlichen Wert von 6,5 Grad pro Kilometer
annehmen.
Diesen Wert nennt man "feuchtadiabatischen Temperaturgradient".

Doch was hat das ganze nun mit stabiler und labiler Schichtung zu
tun?
Angenommen, ein Luftpaket ist wärmer als seine Umgebung, steigt auf
und kühlt sich ab.
Kühlt es sich dabei stärker ab als die umgebende Luft, so wird es
beim Aufstieg zunehmend gebremst.
Ab einem gewissen Punkt geht es für unser Luftpaket also nicht
weiter.
Die Schichtung ist stabil.
In einem anderen Fall bleibt das Luftpaket wärmer als seine
Umgebungsluft.
Falls jetzt zum Beispiel auch noch Kondensation einsetzt und es
danach feuchtadiabatisch aufsteigt, kühlt es sich beim Aufsteigen
auch noch langsamer ab als die Umgebung.
Das Luftpaket bleibt also immer wärmer als die Umgebung und erfährt
permanent weiteren Auftrieb, der sich nach oben hin auch noch
verstärken kann, bis es erst an der Tropopause nicht mehr weitergeht.

Die Schichtung hier ist labil.
Diese Situation kennt man vor allem im Sommer in Form von Konvektion,
die zur Bildung von Schauern und Gewittern führt.

Für den Vorhersagemeteorologen ist es also wichtig zu wissen, ob eine
Luftmasse stabil oder labil geschichtet ist.
Wenn dazu noch ein Antrieb für Hebung kommt, ist dies immer ein
Signal für mögliche konvektive Ereignisse.
Im Sommer sind dies die bereits erwähnten Gewitter, aber auch im
Winter kann so etwas vorkommen und vor allem über warmen
Meeresoberflächen zu Konvektion in Form von kräftigen Schauern und
kurzen Gewittern führen.

M. Sc. Felix Dietzsch
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 11.01.2021

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