Thema des Tages

11-02-2021 09:20

Luftig und leis'

Für die einen ist es das "weiße Gold", für die anderen einfach eine
lästige Begleiterscheinung. Neutral betrachtet, kann man sich der
Faszination und dem Fassettenreichtum des Schnees allerdings kaum
entziehen.

Die Begeisterung für die Meteorologie wird aus Erfahrung bei den
meisten Menschen entweder über knackig kaltes Winterwetter mit
Schnee, Eis und Frost oder aber durch sommerliche Gewitterlagen
entfacht. Idealerweise sind beide Phänomene sogar in einem kurzen
Wintergewitter mit Graupel vereint. Doch der Niederschlag muss ja
nicht immer vom Himmel peitschen, sondern kann auch leise rieseln -
als Schneeflocken.

A propos "leise": Getreu dem Text aus dem allseits bekannten
Volkslied fällt der Schnee nicht nur nahezu geräuschlos zu Boden,
sondern "schluckt" bei stärkeren Intensitäten auch allerhand an
Schall und Rauch - Entschuldigung natürlich Lärm - aus der Umgebung.
Anwohner unweit einer Autobahn oder eines Flughafens müssen dazu
nicht mal aus dem Fenster schauen, wenn sie registrieren, dass es an
diesem Morgen ungewöhnlich leise ist. Entweder wurde der Lockdown
verschärft oder es schneit. Spätestens wenn dann noch die
Kratzgeräusche einer Schaufel auf dem Asphalt zu hören sind, weil der
Nachbar bekanntlich um 6 Uhr in der Früh aufsteht oder das Brummen
eines Räumfahrzeugs ertönt, sind auch die letzten Zweifel ausgeräumt.


Doch warum schafft Schnee es eigentlich so gut, die Geräusche aus der
Umgebung zu filtern? Das liegt an dessen Zusammensetzung. Wenn sich
die sechseckigen Schneesterne im Idealfall bei Temperaturen zwischen
-5 und -15 Grad bilden und auf dem Weg aus der Wolke zum Boden
miteinander verhaken, so schließen sie viel Luft ein. Der Anteil von
Luft in einer Schneeflocke macht rund 90% aus, nur die restlichen 10%
sind Eis. Dringt der Schall dann in diese mit Luft gefüllten
Hohlräume ein, wird er förmlich geschluckt. Das gleiche Prinzip
wenden im Übrigen auch passionierte Schlagzeug- und E-Gitarrenspieler
an, wenn sie Wände und die Decke im Bandraum mit leeren Eierkartons
pflastern. Auch deren Lufteinschlüsse wirken isolierend.

Neben der teils bizarren Formen der Schneekristalle (keines gleicht
dem anderen) entfaltet sich die Faszination des Schnees vor allem
dann, wenn er bei bodennahen Temperaturen unterhalb des
Gefrierpunktes liegen bleibt und die Natur in eine Winterlandschaft
verzaubert. So konnten sich kleine und große Kinder nun auch in
Süddeutschland endlich freuen, wo es in den vergangenen 24 Stunden
(Mittwochfrüh bis Donnerstagfrüh) verbreitet 5 bis 10, an den Alpen
bis 15 Zentimeter Neuschnee gegeben hat. Der Schall wird übrigens bei
einer frischen Schneedecke ebenfalls noch (wenn auch nicht mehr so
stark) absorbiert - auch wenn es bereits aufgehört hat zu schneien.
Im Laufe der Zeit sackt die Schneedecke aufgrund des Eigengewichtes
des Eisanteils immer mehr zusammen, die Lufteinschlüsse werden
geringer und die Lärmminderung nimmt ab.

Die isolierende Wirkung des Schnees hat aber nicht nur Auswirkungen
auf den Geräuschpegel, sondern auch auf die Temperaturen. So sind
nach Beendigung eines Schneefallereignisses unmittelbar in der
Folgenacht die kältesten Temperaturen zu erwarten, sofern die übrigen
Voraussetzungen wie Windstille bei klarem Himmel gegeben sind. Damit
kann der Schnee ideal - da ungehindert - Wärme in Form langwelliger
Strahlung an höhere Luftschichten abgeben. Dadurch, dass der Boden
durch die Schneedecke isoliert ist, erfolgt die Abstrahlung direkt
über der Schneefläche - und Schnee ist ein hervorragender
"Abstrahler" (Stichwort: Schwarzer Körper). Nur so waren die
Extremwerte von bis zu -27 Grad in der Nacht zum gestrigen Mittwoch
über der Landesmitte möglich. Ähnlich Werte wären in der vergangenen
Nacht auch im Süden drin gewesen, es fehlten letztlich aber die
entscheidenden Wolkenlücken über einen längeren Zeitraum. Somit war
"schon" bei -20 Grad über Teilen Frankens Schluss.


Dipl.-Met. Robert Hausen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 11.02.2021

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