Thema des Tages

14-02-2021 13:20

Auszug aus dem meteorologischen Werkzeugkasten

In den letzten Jahrzehnten haben sich die meteorologischen
Vorhersagemethoden stark gewandelt. Trotzdem sind die klassischen
Techniken nicht in Vergessenheit geraten. Anhand der Wetterlage von
Montagvormittag ist diese Symbiose wunderbar darstellbar.

Markante winterliche Luftmassenwechsel gehen nur selten "geräuschlos"
über die Bühne, in den meisten Fällen bekommt der eine oder andere
die unmittelbaren Auswirkungen, vor allem im Bereich der Mobilität,
zu spüren. Aus meteorologischer Sicht besonders spannend ist es, wenn
beispielsweise eine positiv temperierte Warmluftmasse auf einen
massiven Kaltluftkörper trifft. Geht dieser Prozess zudem mit
Niederschlag einher, müssen aus der meteorologischen Werkzeugkiste
doch die unterschiedlichsten Analyse- und Vorhersagemethoden
herausgekramt werden. Während in früheren Jahren vielleicht das eine
oder andere benötigte Werkzeug zur Beurteilung der Lage fehlte bzw.
noch nicht entwickelt war, können wir heutzutage aus einem großen
Portfolio wählen. Doch das bedeutet nicht, dass die klassischen
Werkzeuge an Relevanz verloren hätten.

Zu diesen Klassikern gehört sicherlich der geschulte Blick auf die
aktuelle Bodenkarte. Damit kann die Ausgangssituation schnell erfasst
und potentielle "Problembereiche" eingegrenzt werden. Am heutigen Tag
(06 UTC) zeigt diese ein umfassendes Hochdruckgebiet, dessen
Schwerpunkt sich über Mitteleuropa befindet. Die darin verzeichneten
Temperaturen lassen keinen Zweifel aufkommen, dass die über diesen
Regionen lagernde Luftmasse unter die Kategorie "kalt" bzw. "sehr
kalt" fällt. An und für sich ist diese Ausgangssituation noch nicht
beunruhigend (vielleicht von strengen Frostnächten abgesehen), doch
der Blick in den Westen zeigt bereits die Dämmerung des zukünftigen
"Problems". Das Hochdruckgebiet gerät nämlich von Westen her
ordentlich in Bedrängnis, atlantische Tiefausläufer mit milderer Luft
versuchen die Flanken des Kaltluftkörpers anzugreifen. Aus der
klassischen synoptischen Meteorologie ist nun bekannt, dass die
herangeführte mildere Luft aufgrund der Dichteunterschiede auf die
davor lagernde kalte Luftmasse aufgleiten muss. Bei diesem Prozess
werden in den meisten Fällen Niederschläge ausgelöst, die, abhängig
von vielen Faktoren, auch in flüssiger Form fallen können. Das
Resultat ist bekannt: Fällt Regen in kalte Luft bzw. auf eine kalte
Oberfläche entsteht Glatteis durch gefrierenden Regen. Die anstehende
Grundproblematik hat man damit recht schnell erfasst, an den
zeitlichen und räumlichen Details gilt es aber noch zu feilen.

Das große Defizit von Bodenkarten ist aber, dass diese die Atmosphäre
in ihrer vertikalen Komplexität nur rudimentär, allenfalls indirekt
abbilden können. Definitionsgemäß gehen darin nämlich nur
Informationen ein, die am Boden beobachtet oder gemessen werden.
Damit liegt der Schluss nahe, dass Vertikalsondierungen der
Troposphäre ein hilfreiches Werkzeug wären. Schon seit mehr als 100
Jahren steigen Ballone mit Messgeräten in die Luft, die auf ihrem Weg
wertvolle Messwerte erheben. Schaut man sich eine solche
Vertikalsondierung in der stromaufwärts liegenden Luftmasse an, kann
man grob beurteilen, welche Auswirkungen diese haben könnte, wenn bei
uns Advektionsprozesse einsetzen. Im aktuellen Fall lohnt es sich
daher den Blick in Richtung Westen, nach Frankreich und Südengland,
schweifen zu lassen.

Heutzutage ist man aber gerade im datenverwöhnten Europa nicht mehr
ausschließlich auf solche "rustikalen" Methoden angewiesen. Mit den
aktuellen Modell- und Rechnerleistungen lässt sich nämlich
hervorragend berechnen, wie die Vertikalstruktur ("das Sounding") der
Atmosphäre zukünftig ausschauen könnte. Betrachtet man ein solches
"Prognosesounding", in unserem Beispiel für Essen-Bredeney in
Nordrhein-Westfalen, sieht man in den Morgen- und Vormittagsstunden
des Montags eine sogenannte "warme Nase". Dies ist ein Einschub
wärmerer über bodennah kalter Luft, der im Diagrammpapier im
klassischen Fall als Nase erkennbar ist (grundlegende Erläuterungen
unter https://bit.ly/3dcvX5m).

Selbstverständlich ist es mit den heutigen technischen Möglichkeiten
aber kein Problem, aus dieser Punktinformation eine flächige
Prognostik abzuleiten. Als Beispiel dafür sei das berechnete
"signifikante Wetter" genannt. Das Wettermodell hat nämlich eine
bestimmte Vorstellung davon, welche Phase der Niederschlag annehmen
könnte. Fällt dieser in die Kategorie "flüssig" und sind am Boden
negative Temperaturwerte vorhanden, dominiert beispielsweise in
Nordrhein-Westfalen am Montagvormittag in unserer aktuellen
Prognosekarte die rötliche Farbe für gefrierenden Regen. Diese wird
später von Westen her durch grünliche Farbtöne abgelöst, die den
Übergang in Regen ohne Glatteisbildung darstellen.

Leider ist eine solche Wetterlage, die ab Montag beginnt, auch in der
Modellwelt mit allerhand Unsicherheiten versehen. Beispielsweise ist
die Progression des Übergangs von Schnee zu Regen doch schwierig zu
berechnen. Nichtsdestotrotz gibt es genug Hinweise, dass besonders im
Westen ab Montagvormittag eine Glatteislage bevorsteht. Diese kann
aufgrund ihrer Verbreitung auch unwetterartige Züge annehmen, daher
haben wir uns für eine Vorabinformation Unwetter entschieden.
Verfolgen Sie also bitte unsere Akutwarnungen in der WarnWetter-App,
um von den möglichen Auswirkungen - besonders im Verkehrsbereich -
nicht überrascht zu werden.

Mag.rer.nat. Florian Bilgeri
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 14.02.2021

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