Thema des Tages

20-08-2016 14:40

Windsysteme im Mittelmeerraum

Vor mehreren Wochen haben nun in ganz Deutschland die Sommerferien
begonnen, wobei das eine oder andere Bundesland bereits wieder
langsam den (Schul-)Alltag probt. Als eine der beliebtesten
ganzjährigen Ferienregionen gilt schon seit langem der
Mittelmeerraum. Beständiges Wetter, sommerliche Wärme, viele
Sonnenstunden und angenehme Wassertemperaturen zeichnen die
verschiedenen Mittelmeerländer aus und sorgen somit für die passende
Urlaubsatmosphäre. Der Faktor Wind wird jedoch, bis auf den Gedanken
an eine erfrischende Brise, häufig bei der Ferienplanung außer Acht
gelassen. Dabei existieren auch im Mittelmeergebiet eine Reihe
unterschiedlicher Windsysteme, die zum Teil das ganze Jahr - und
damit auch während der Haupturlaubssaison - auftreten können.
Besonders bekannte Winde des Mittelmeerraumes sind unter anderem der
"Schirokko" oder aber auch die "Bora" und der "Mistral".

Der "Schirokko" (siehe auch Thema des Tages vom 18.04.2016)
bezeichnet einen heißen und zunächst trockenen Wüstenwind aus der
Sahara, der das ganze Jahr über auftreten kann, aber während der
Übergangsjahreszeiten am stärksten ausgeprägt ist. In diesem Zeitraum
kommt es auf Grund hoher Temperaturunterschiede zwischen Nord und Süd
zu einem verstärkten Luftmassenaustausch, wodurch heiße Wüstenluft
weit nach Norden transportiert werden kann. Ausgangslage für einen
solchen Luftmassenaustausch kann beispielsweise der Vorstoß kalter
Luftmassen über dem Westatlantik sein, die die Entstehung eines
eigenständigen Tiefdruckgebiets über der westlichen Sahara zur Folge
haben. Dabei führt der "Schirokko" neben warmen bis heißen Luftmassen
zudem oftmals eine hohe Menge an feinem Sand und Staub mit sich, der
auch in Deutschland dafür sorgen kann, dass Autos mit einer leichten
Schicht aus Saharastaub bedeckt werden. Andererseits kann er auf
seinem Weg über das Mittelmeer auch sehr viel Feuchtigkeit aufnehmen,
in Folge dessen es zu Starkniederschlägen entlang von Gebirgsketten,
wie beispielsweise den Cevennen in Frankreich oder der Serra de
Tramuntana auf Mallorca kommen kann.

Ein ähnliches Windsystem stellt der sogenannte "Leveche" dar. Durch
die Zufuhr heißer Luftmassen aus der westlichen Sahara, die sich nach
Überströmen des Atlasgebirges noch weiter erhitzen, entsteht ein
heißer Wüstenwind, der insbesondere dem Süden Spaniens hohe
Temperaturen beschert und ebenfalls viel Saharastaub mit im Gepäck
haben kann.

Die "Bora" und der "Mistral" sind im Gegensatz zum "Schirokko" und
"Leveche" kalte Winde, die vor allem während der Wintermonate
auftreten und zu markanten Kaltlufteinbrüchen führen können. Während
die Bora entlang der kroatischen Küste auftritt, ist der "Mistral"
ein charakteristischer Wind Südfrankreichs. Kommt es während der
Wintermonate zu einer Verschiebung eines über Frankreich liegenden
Hochs in östlicher Richtung bei gleichzeitigen Auftreten eines Tiefs
über dem Golf von Genua, hat dies den Effekt, dass sich Winde
entwickeln, die durch das von Nord nach Süd verlaufende Rhônetal, in
Richtung französischer Mittelmeerküste wehen. Durch den "Düseneffekt"
des Rhônetals kann dieser Wind oftmals Sturm- bis Orkanstärke mit
Spitzengeschwindigkeiten von mehr als 135 km/h erreichen. Nicht
zuletzt zeigt sich diese Naturgewalt sehr deutlich an Hand der oft in
Windrichtung gewachsenen Bäume. Die "Bora" entsteht dagegen, wenn
hoher Luftdruck über dem Balkan zeitgleich tiefem Luftdruck südlich
der Alpen gegenübersteht. Dabei können die kalten Winde bis an die
Meeresküste vorstoßen, wo sie sich auf Grund des geringen
Höhenunterschieds zur Küste hin kaum erwärmen.

Ein Wind, der vielen Urlaubern aus ihren Ferien am Gardasee bekannt
sein dürfte, ist die "Ora". Dieser ist ein von Süden kommender
Talwind (siehe Thema des Tages vom 19.07.2015), und zeigt sich im
Bereich des Gardasees für die besonders guten Segel- und
Windsurfbedingungen verantwortlich. Ursächlich für die Entstehung der
"Ora" ist die bei Sonneneinstrahlung stärkere Erwärmung der Luft im
umliegenden Gebirge. Diese warmen Luftmassen beginnen aufzusteigen,
was dazu führt, dass aus der Ebene neue Luft durch das Tal in das
Gebirge nachströmt. Dieser Prozess setzt dabei meist kurze Zeit nach
Sonnenaufgang ein und ebbt erst kurz nach Sonnenuntergang wieder ab,
sodass die "Ora" zuweilen den ganzen Tag über zu verzeichnen ist.
Ein weiterer Wind, der für die Surfer und Segler unter den Urlaubern
von Bedeutung sein dürfte, ist der "Levante". Er ist ein von Ost nach
West wehender Wind an der Straße von Gibraltar. Da er mitunter
besonders stark sein kann, macht er die Meerenge zwischen Spanien und
Marokko zu einem der besten Windsurfreviere der Welt. Sein
Gegenstück, der "Poniente", ist dagegen ein von West nach Ost
wehender Wind, der zunächst über dem Atlantik noch als mäßig warmer,
später jedoch nach Überqueren des spanischen Festlandes, als heißer
Wind an den Mittelmeerküsten zu spüren ist.
Im östlichen Mittelmeerraum findet man dann noch die sogenannten
"Etesien" (türkischen Ursprungs) oder auch "Meltemi" (griechischen
Ursprungs). Dabei handelt es sich um nördliche Winde, die überwiegend
in den Sommermonaten in der Ägäis wehen und als relativ kühl
empfunden werden. Mitursächlich für das jährliche wiederkehrende
Strömungsverhalten sind die quasistationären Luftdruckgebilde des
Azorenhochs und dem Tiefdruckgebiet des Sommermonsuns über
Südwestasien.

Man sieht also, dass das Mittelmeer mehr als (warme) Temperaturen und
viel Sonnenschein zu bieten hat und sich je nach Reisezeit auch ein
Blick auf die Windkarte lohnen kann.

Praktikant Marc Senzig mit Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 20.08.2016