Thema des Tages

26-03-2021 09:20

Es summt wieder

Hört man genau hin, kann in den aktuell blühenden Sträuchern
zunehmend wieder das Summen von Bienen vernommen werden. Grund genug,
die Randbedingungen für Bienenflug etwas näher zu betrachten.

Die Entwicklung der Natur kam zwar in der mittleren Märzdekade
aufgrund der unterdurchschnittlichen Temperaturen etwas ins Stocken,
doch nun sieht man an vielen Orten die ersten Frühlingsboten.
Phänologisch gesehen beginnt der Erstfrühling mit der Blüte der
Forsythie, die vor allem in den klimatisch wärmeren Regionen entlang
des Rheins sowie im Nordwesten in den vergangenen Tagen beobachtet
werden konnte. Doch nicht nur in der Pflanzenwelt macht sich der
Frühling bemerkbar, auch die Tiere stellen sich auf die nun
anbrechende neue Jahreszeit ein. Spitzt man seine Ohren, vernimmt man
an den blühenden Sträuchern auch wieder das Summen der Bienen - ein
untrügliches Zeichen, dass der Winter langsam Abschied nimmt.

Die Intensität des Bienenflugs ist dabei ein komplexes Zusammenspiel
zwischen den meteorologischen Randbedingungen sowie dem Zustand und
der Entwicklung des Bienenvolks. Die maßgeblichen Wetterelemente sind
dabei die Lufttemperatur, die Windgeschwindigkeit, die
Niederschlagssumme sowie die Strahlungsintensität. Die in unseren
Breiten beheimatete Honigbiene braucht eine Lufttemperatur von etwa 8
Grad, um wieder unbeschadet in den sicheren Bienenstock zurückkehren
zu können. Allerdings ist bei solchen Temperaturverhältnissen der
Aktionsradius der Biene ziemlich eingeschränkt, die Gefahr bei einem
längeren Ausflug in der kühlen Luft zu verklammen wäre zu groß. Daher
beschränkt sich die Biene bei einer solchen Witterung nur auf die
unbedingt notwendigen und nicht verschiebbaren Aktivitäten
(beispielsweise Entleerung der Kotblase nach der Winterruhe oder
Wassertransport). Steigt die Lufttemperatur etwas über 10 Grad, sind
jedoch zunehmend auch sogenannte "Pollensammlerinnen" in der Natur
beobachtbar. Diese suchen die verschiedensten Frühblüher auf und
sammeln dort den eiweißhaltigen, für die Bruttätigkeit unbedingt
notwendigen Pollen ein. Erkennbar sind diese an den gelben Kügelchen
an ihren Beinen. Optimale Flugbedingungen herrschen dann etwa ab der
Marke von 20 Grad, dann kann auch das gesamte Potential für das
Sammeln von Nektar ausgeschöpft werden.

Allerdings ist die Lufttemperatur nicht der alleinig entscheidende
meteorologische Parameter. Beispielsweise erhöht durchgehender
Sonnenschein bzw. eine hohe Strahlungsintensität die Flugaktivität,
dagegen hemmt starker Wind diese deutlich. Bei anhaltendem
Niederschlag bleiben die Bienen ebenfalls meist im Stock oder kommen
schnell zurück, wenn plötzlich ein stärkerer Schauer aufzieht.
Besonders gefährlich für die Flugbienen sind daher die im Frühling
oft sehr schnell wechselnden Wetterverhältnisse. Ein nachmittäglicher
Schauer oder ein Gewitter mit schnell sinkender Temperatur und
aufkommendem Wind nach sonnigem Tagesbeginn hat daher schon vielen
Bienen das Leben gekostet.

In Kenntnis der eben beschriebenen Abhängigkeiten und der erwarteten
meteorologischen Werten, kann die Intensität des Bienenflugs
natürlich auch mittels Modellen prognostiziert werden. Der Deutsche
Wetterdienst betreibt beispielsweise ein solches und stellt die
Ergebnisse unter https://t1p.de/vx7q für verschiedenste Orte in
Deutschland zur Verfügung. Die Einteilung erfolgt dabei in 5
Intensitätsstufen (kein, gering, mittel, stark, intensiv).

Allerdings muss man bedenken, dass dieses Modell nur den externen
Faktor Meteorologie abdeckt und nicht den unbekannten Zustand des
Bienenvolks (interner Faktor) berücksichtigt. Bienenvölker entwickeln
sich nämlich im Frühling in Abhängigkeit der vorhandenen Bienenzahl
unterschiedlich schnell. Damit kann es im Stock vorübergehend zu
einem Ungleichgewicht kommen zwischen zu pflegender Brut und den zur
Verfügung stehenden Arbeiterinnen. Da Brutpflege fast immer Priorität
genießt, kann das Fluggeschehen dadurch auch bei günstigen
Wetterbedingungen vorübergehend etwas gebremst werden. Anderseits
sind im Bienenstock auch Notsituationen möglich, bei denen
beispielsweise die "Wasserträgerinnen" auch bei tieferen Temperaturen
als 8 Grad und Regen den Stock zur Versorgung mit Wasser verlassen
müssen. Selbstverständlich spielt aber auch das Angebot der Natur
eine wichtige Rolle, denn ohne blühende Pollenspender macht es
natürlich auch keinen Sinn, auf einen potentiell gefährlichen
"Ausflug" zu gehen.

In den nächsten Tagen zeigt unser Bienenflugmodell meist keine bis
geringe Flugaktivität. Das überrascht nur wenig, denn in der Nacht
zum Samstag überquert eine Kaltfront das Land von West nach Ost.
Damit strömt wieder Meeresluft subpolaren Ursprungs heran, außerdem
kommt es vor allem am Samstag zu schauerartigem, teils gewittrigem
Regen. Zudem frischt der Wind gebietsweise deutlich auf - keine gute
Kombination für einen Bienenausflug. Doch für die nächste Woche
besteht durchaus eine gute Chance Bienen beobachten zu können, denn
die Temperatur steigt wieder deutlich an und die Sonne kommt häufiger
zum Vorschein.

Mag.rer.nat. Florian Bilgeri
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 26.03.2021

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