Thema des Tages

04-04-2021 11:20

Heizen mit Eis


Mithilfe von Eis ein Haus heizen? Klingt paradox, funktioniert aber.
Über Umgebungswärme, Erdwärme, Kristallisationsenergie ? und einen
Eisspeicher als innovative Energiequelle.


Während in den vergangenen Tagen bei frühlingshaften, ja teils sogar
frühsommerlichen Temperaturen die Heizung in vielen Haushalten
vermutlich kalt blieb, fließt mit dem Kaltluftvorstoß am morgigen
Ostermontag (siehe gestriges Tagesthema) nicht nur kalte arktische
Polarluft nach Deutschland, sondern bestimmt auch wieder warmes
Wasser durch das ein oder andere Heizungsrohr. Kein Wunder, soll es
doch bei Außentemperaturen im einstelligen Bereich muckelig warm im
heimischen Wohnzimmer sein.

Wenn man dann eher der "mollige 23-Grad-", statt der ?frische
19-Grad-Typ? ist und zusätzlich im Keller oder draußen unter der Erde
eine Gas- oder Ölheizung brummt, kann sich schonmal das ökologische
Gewissen melden. "Jedes Grad weniger spart sechs Prozent Heizenergie"
souffliert es und schon ist man im Dilemma, einen eigenen kleinen
Beitrag zum Klimaschutz leisten zu wollen, aber nicht mit Wollsocken
und Fleecejacke in der Wohnung sitzen möchte. Zugegeben: Nachhaltige
Heizungssysteme sind derzeit eher rar. Doch es gibt sie ? und damit
wären wir beim heutigen Thema, denn wir widmen uns einer Lösung, die
mit Sonne, Luft und Erdwärme gleich drei natürliche Energiequellen
kombiniert: Eine Eisspeicherheizung.

Wie funktioniert das genau?

Wichtigster Bestandteil einer Eisspeicherheizung ist der
namensgebende Eisspeicher. Dabei handelt es sich um eine nicht
isolierte Zisterne (meist aus Beton), die unter der Erdoberfläche
vergraben wird. Innerhalb der Zisterne sind zwei spiralförmige
Leitungen verlegt, in denen eine frostsichere Flüssigkeit (Sole)
zirkuliert: Eine der Spiralen ist ein sogenannter
Entzugswärmetauscher, die andere ein Regenerationswärmetauscher. Die
Zisterne selbst wird mit Wasser gefüllt.

Nun geht?s los: Der Entzugswärmetauscher entzieht dem Wasser seine
Wärmeenergie. Dadurch sinkt die Wassertemperatur allmählich, bis das
Wasser zu gefrieren beginnt. Die entzogene Energie wird an eine
Wärmepumpe weitergeleitet und zum Heizen oder zur Warmwasserbereitung
nutzbar gemacht. Während das Wasser unterirdisch in der Zisterne also
gefriert, wird das Wohnzimmer muckelig warm. Ist das Wasser im
Speicher gänzlich gefroren, kommt der Regenerationswärmetauscher an
die Reihe: Er führt der Zisterne wieder Wärme hinzu und zwar über
einen ?Solar-Luftabsorber? auf dem Hausdach, der die Wärme der
Umgebungsluft und ? falls vorhanden ? der Sonnenstrahlung nutzt.
Zusätzlich kommt die Erdwärme ins Spiel: Denn durch die fehlende
Isolierung der Zisterne erwärmt sich der Eisspeicher durch das
Erdreich, dessen Temperatur das ganze Jahr über nahezu konstant bei 8
bis 12 °C liegt, sodass das Auftauen des gefrorenen Wassers
zusätzlich beschleunigt wird. Ist das Wasser wieder flüssig, lässt
sich der Kreislauf beliebig oft wiederholen.

Der Clou dieses Systems liegt vor allem in der Nutzung eines ? ja
beinahe simplen ? physikalischen Prozesses: Dem Gefrieren von Wasser
zu Eis. Denn bei diesem Phasenwechsel wird Energie frei, sogenannte
Kristallisationsenergie, und mit 93 Wattstunden pro Kilogramm Wasser
gar nicht mal so wenig (oder zur besseren Veranschaulichung: Die
Kristallisationswärme stellt dieselbe Energiemenge bereit, die
benötigt wird, um einen Liter Wasser von 0 °C auf 80 °C zu erhitzen).
Für unseren Eisspeicher bedeutet das: Bei einem Volumen von 10
Kubikmetern liefert er in etwa die gleiche Energiemenge wie die
Verbrennung von 110 Litern Heizöl.

Und noch ein weiterer Vorteil: Im Sommer, wenn selbst die
?23-Grad-Typen? unter uns ein frisches Lüftchen in der heimischen
Bude herbeisehnen, lässt sich mit der Eisspeicherheizung auch kühlen.


Auch wenn man für die Anschaffung einer Eisspeicherheizung recht tief
ins Portemonnaie greifen muss, diese nicht für jedes Gebäude sinnvoll
sind (Nachrüstung in schlecht gedämmten Altbauten lohnt sich eher
weniger) und man nicht ganz ohne Strom (für die Wärmepumpe) auskommt:
Eine Überlegung ? nicht nur für das ökologische Gewissen ? ist eine
solche Eisspeicherheizung, vor allem bei einem Neubauprojekt,
vielleicht trotzdem wert.

In den letzten Jahren hat die Nachfrage an Eisspeicherheizungen,
nicht nur im gewerblichen, sondern auch bei Ein- und
Mehrfamilienhäusern übrigens deutlich zugenommen. Neben dem
Fraunhofer Institut in Kassel, dem Stadtarchiv in Bad Cannstatt und
der Siedlung Friedrichsdorf nördlich von Frankfurt gibt es ein
weiteres prominentes Beispiel, das gefrorenes Wasser sonst jedoch
eher vor einem anderen Hintergrund (oder besser Untergrund) kannte:
Denn auch Ski-Weltmeister Felix Neureuther heizt seit letztem Jahr in
seinem Haus in Garmisch-Partenkirchen mit Eis.


Dipl.-Met. Magdalena Bertelmann
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 04.04.2021

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