Thema des Tages

12-05-2021 09:20

Kommt im Mai noch der Frühsommer?

Das derzeit wechselhafte und relativ kühle Maiwetter könnte sich laut
einschlägiger Prognosen bis Ende nächster Woche hinziehen. Ob danach
noch eine Chance auf mehr Sonne und deutlich höhere Temperaturen
besteht, soll kurz beleuchtet werden.

Die derzeitige Wetterlage hat sich ja bereits Ende April/ Anfang Mai
(mit kurzer Unterbrechung am vergangen Wochenende und zu
Wochenbeginn, 08. bis 11.05.) eingestellt. Der Unterschied zum doch
meist zu trockenen und deutlich zu kühlen April mit häufiger
Blockierung (hoher Luftdruck) über dem nahen Ostatlantik und
entsprechend überwiegend nördlichen Strömungsverhältnissen in
Mitteleuropa zur jetzigen Wetterlage besteht darin, dass sich nun
vorwiegend tiefer Luftdruck über dem Nordatlantik bis nach Westeuropa
etabliert hat.

Dem tiefen Luftdruck über dem Nordatlantik steht aktuell hoher
Luftdruck über dem mittleren Atlantik (Stichwort Azorenhoch)
gegenüber. Damit entspräche die derzeitige Großwetterlage über dem
atlantisch-europäischen Raum normalerweise dem Wetterregime NAO
positiv (Nordatlantische Oszillation, siehe Wetterlexikon unter
NAO-Index: https://www.dwd.de/DE/service/lexikon). Positiv deshalb,
weil hohem Luftdruck über den Azoren entsprechend tiefer Luftdruck
bei Island gegenüberstünde. Dem ist aktuell allerdings nicht ganz so,
weil wir über Grönland derzeit ebenfalls hohen Luftdruck vorfinden.
Deshalb ist der NAO-Index aktuell sogar leicht negativ mit Tendenz zu
eher neutralen Werten(siehe Analyse und Vorhersage hier:
https://www.cpc.ncep.noaa.gov/products/precip/CWlink/pna/nao.shtml).


Diese Großwetterlage entspricht im Prinzip der Konstellation hoher
Luftdruck ganz im Norden über tiefem Luftdruck im Bereich des Nord-
und Ostatlantiks, im Verlauf auch über Skandinavien. Solch eine
synoptische Konstellation erweist sich oft als ziemlich stabil. Noch
dazu kommt, dass sich weiter im Osten (Russland, teils bis in die
Arktis) hoher Luftdruck immer wieder regeneriert und damit die
Verlagerung der Tiefdruckgebiete nach Osten mehr oder weniger
blockiert ist.

Damit wird relativ schnell klar, warum uns die aktuelle Wetterlage
voraussichtlich noch bis Ende der kommenden Woche (21./22.Mai)
erhalten bleiben könnte. Danach nehmen die Prognoseunsicherheiten
naturgemäß deutlich zu, allerdings deutet sich dann auch eine
Wetterumstellung an. Es könnte sein, dass sich in der letzten
Maidekade hoher Luftdruck über Mittel- und Nordeuropa etabliert,
wodurch die Temperatur ansteigt und die Niederschlagsneigung
nachlassen sollte. Ein gutes Indiz dafür sind die so genannten
Wetterregime, hier vom EZMWF in Reading gerechnet (siehe Grafik vom
10.05.21, einschließlich Erläuterungen). Hier sind vier typische
Großwetterlagen für den atlantisch-europäischen Raum dargestellt: NAO
positiv, NAO negativ (siehe weiter oben), Atlantischer Rücken (ATR,
hoher Luftdruck über dem nahen Nordatlantik/ Nordmeer) und Blocking
(hoher Luftdruck über Skandinavien/ Mitteleuropa). Gemäß dieser
Grafik ist der beschriebene Trend hin zu Blocking auszumachen, aber
wie gesagt noch mit größeren Unsicherheiten behaftet. Finden sich
doch ab dem genannten Zeitpunkt auch andere mögliche Wetterregime
wieder. Berücksichtigt ist in dieser Grafik auch nicht die mögliche
Kleinskaligkeit regionaler Wetterlagen.

Ein weiteres Indiz für eine mittelfristige Wetteränderung sind auch
zunehmende Wellenflüsse (meridionale und vertikale Wärmeflüsse) in
den mittleren Breiten ab etwa dem 20.Mai, die in der mittleren und
oberen Troposphäre grob gesagt für eine Erwärmung sorgen und damit
den Tiefdruckeinfluss vom Atlantik her abschwächen könnten.

Diese Wellenflüsse sind das Ergebnis meridionaler Temperatur- und
Windflüsse, die teils auch durch die Druckgebilde (Hoch- und
Tiefdruckgebiete) selbst generiert werden. Andere Ursachen können im
Sommerhalbjahr selten auch Gebiete mit starker Konvektion in den
Tropen (Wärmequelle) oder auch meridionale Wärmevorstöße aus den
Subtropen bis in die mittleren Breiten sein.

Die mittelfristige Entwicklung der Großwetterlage bleibt auf jeden
Fall spannend und wir halten Sie auf dem Laufenden!

Dipl.-Met. Dr. Jens Bonewitz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 12.05.2021

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