Thema des Tages

16-06-2021 12:50

Leuchtende Nachtwolken: seltenes Himmelsphänomen aktuell wieder zu
beobachten


Nun ist erneut die Zeit angebrochen, in der man geheimnisvolle
silbrig bis weiß-blau leuchtende Wolken am Nordhorizont klarer
Sommernächte beobachten kann. Doch wie lässt sich das eher seltene
Phänomen Leuchtender Nachtwolken erklären? Wir bringen im heutigen
Thema des Tages Licht ins Dunkel.


Leuchtende Nachtwolken (engl. noctilucent clouds - NLC) sind zarte
silbrig-weiße Wolken in der oberen Atmosphäre der Erde, die in
manchen Sommernächten meist in Nordrichtung am Horizont gesehen
werden können. In unseren mitteleuropäischen Breiten erreichen sie
eine Höhe von etwa 20 Grad über dem nordwestlichen bis nordöstlichen
Horizont. Die Leuchtenden Nachtwolken können als "eigenschaftslose"
Bänder erscheinen, zeigen aber häufig ausgeprägte Muster wie
Streifen, wellenartige Strukturen und Wirbel. Sie bestehen aus
Eiskristallen und sind nur während der nautischen und astronomischen
Dämmerung sichtbar (also wenn der Sonnenmittelpunkt unter 6 Grad
unter dem wahren Horizont liegt). In Mitteleuropa werden sie am
häufigsten zwischen Anfang Juni und Ende Juli, sprich Monaten um die
Sommersonnenwende zwischen 45 und 65 Grad nördlicher Breite
beobachtet.

Von den uns bekannten Wolkenarten unterscheiden sich die Leuchtenden
Nachtwolken durch die große Höhe, in der sie auftreten. Während
"normale" Wolken in unseren mittleren Breiten bis in Höhen von bis zu
15 km zu finden sind, erscheinen Leuchtende Nachtwolken in einer Höhe
von 80 bis 85 km. In dieser Höhe befindet sich die kälteste Zone der
Atmosphäre, die sogenannte Mesopause. Nirgendwo sonst auf unserem
Planeten lassen sich in natürlicher Umgebung so tiefe Temperaturen
messen. Dort werden in aller Regel zwischen Mitte Mai und Mitte
August Werte von unter -140 °C erreicht. Diese niedrigen Temperaturen
werden benötigt, damit bei der in diesen Höhen sehr geringen
Wasserdampfkonzentration kleine Eiskristalle an Staubpartikeln
kristallisieren, wodurch die Leuchtenden Nachtwolken entstehen.

Der Ursprung dieser für die Entstehung notwendigen
Kristallisationskerne ist noch nicht vollständig geklärt und
Gegenstand von wissenschaftlichen Untersuchungen. Zuerst beobachtete
man die Nachtwolken in den entsprechenden mittleren bis nördlichen
Breiten zwei Jahre nach dem Ausbruch des Krakatau im Jahre 1885 und
interpretiere diese als Folgeerscheinung des Vulkanausbruchs, der
diese Partikel bis in jene Höhen transportierte. Allerdings wurden
Leuchtende Nachtwolken auch in den folgenden Jahrzehnten gesichtet.
Deshalb geht man heute davon aus, dass der Staub von Meteoren stammt,
die in diesen Höhen verglühen. Erforscht werden diese Wolken unter
anderem am Leibniz-Institut für Atmosphärenforschung (IAP) in
Kühlungsborn. Mithilfe des OSWIN-VHF-Radars (https://www.iap-kborn.de/forschung/abteilung-radarsondierungen/aktue
lle-radarmessungen/oswin-mesosphaere) ist man in der Lage, die
Rückstreuung an Partikeln und Wolken in der Region um die Mesopause
zu detektieren. Bei hohen gemessenen Reflektivitäten besteht nach
Sonnenuntergang oder vor Sonnenaufgang eine erhöhte Chance auf
Leuchtende Nachtwolken. Die besten Beobachtungszeiten bestehen in
unseren Breiten in der aktuellen Jahreszeit daher zwischen 22 bis 23
Uhr MESZ oder morgens in der ersten Dämmerung von etwa 3 bis 4 Uhr
MESZ.

Das scheinbare Leuchten der Wolken entsteht durch gestreutes
Sonnenlicht. Wenn die Sonne etwa 6 bis 16 Grad unter dem Horizont
nach dem Sonnenuntergang oder vor dem Sonnenaufgang steht, erscheint
der Himmelshintergrund bereits dunkel. Doch die Wolken werden
aufgrund ihrer enormen Höhe von der schräg unter dem Horizont
stehenden Sonne angestrahlt und erscheinen als Leuchtende
Nachtwolken. Die Eispartikel streuen vor allem den grünen, blauen und
violetten Anteil des sichtbaren Lichtes, wobei der blaue Anteil
bevorzugt wird und den Nachtwolken so ihre blaue Charakteristik
verleiht. Derweil wurden die roten und orangenen Farbanteile bereits
beim Durchqueren der Stratosphäre mithilfe des Ozons absorbiert.

In Flensburg konnten in der vergangenen Nacht zarte, nur gering
leuchtende Nachtwolken beobachtet werden (siehe markierten Bereich in
Abbildung 1: https://t1p.de/y5ws). Vor genau einem Jahr hingegen
konnten deutlich bessere Aufnahmen an selber Stelle gemacht werden
(siehe Abbildung 2: https://t1p.de/y5ws). In den kommenden Tagen
dürfte vor allem in der Osthälfte das Wetter für weitere Sichtungen
Leuchtender Nachtwolken mitspielen. Dort verlaufen die Nächte oft
klar oder es gibt nur wenige hohe Wolken. Im Westen hingegen wird mit
tieferem Luftdruck über Westeuropa zunehmend feuchte Luft mit
Wolkenfeldern herangeführt. Dabei steigt auch das Risiko für teils
schwere Gewitter. Summa summarum stehen hier die Chancen auf
Sichtungen etwas schlechter. Und wenn es dort nicht klappt, dann
besteht bis in den Juli hinein noch die Möglichkeit die Leuchtenden
Nachtwolken am Nordhorizont zu beobachten.


M.Sc.-Met. Sebastian Altnau
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 16.06.2021

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