Thema des Tages

10-07-2021 11:20

Wasser von oben und von unten

In den vergangenen beiden Tagen kam es gebietsweise zu
sintflutartigen Regenfällen. Vor allem in Mittelfranken hatten diese
ein großes Hochwasser an Bächen und kleineren Flüssen zur Folge.

Anders als in den vergangenen beiden Jahren, in denen große
Trockenheit für Schlagzeilen sorgte und Landwirtschaft und Vegetation
stark belastete, ist Regen im diesjährigen Sommer bisher keine
Mangelware und die Böden sind vielerorts gesättigt. Teilweise kam in
den letzten Wochen sogar so viel Regen innerhalb kurzer Zeit vom
Himmel, dass die nassen Böden das Wasser nicht mehr aufnehmen
konnten. Dadurch liefen Keller voll oder das Wasser floss in Bäche
und kleinere Flüsse ab, die anschließend über die Ufer traten. So
geschehen auch am gestrigen Freitag in Teilen von Franken.

Ein Tief zog von Donnerstag bis zum heutigen Samstag ausgehend von
Österreich ganz langsam nach Norden und ist mittlerweile über der
Ostsee angekommen. Vor allem auf der Westseite des Tiefs bildete sich
ein kräftiges Niederschlagsgebiet. Da das Tief nur sehr langsam zog,
verlagerte sich auch der "Regenwirbel" nur langsam vom Süden in den
Norden Deutschlands, sodass es mancherorts längere Zeit am Stück
kräftig regnete und (zu) große Regenmengen brachte.

Bereits am Donnerstagabend setzten in Schwaben kräftige und teils
gewittrige Regenfälle ein, die sich in der Nacht zum Freitag ins
östliche Baden-Württemberg, ins westliche Franken und bis nach
Osthessen, Thüringen und Sachsen verlagerten. Vor allem im westlichen
Franken (Mittelfranken und Teile Unterfrankes) kringelte sich das
Regengebiet regelrecht ein, sodass es dort stundenlang kräftig
schüttete. Auch den gesamten Freitagvormittag regnete es dort
unaufhörlich weiter, erst am Nachmittag verlagerte sich der
Regenschwerpunkt nach Thüringen und Sachsen-Anhalt. Mit dem nach
Norden vorankommenden Tief zog der Regen in der Nacht zum heutigen
Samstag weiter in den Norden Brandenburgs und nach
Mecklenburg-Vorpommern und sorgte auch dort für erhebliche
Regenmengen.

Anhand der radarbasierten und an Niederschlagsstationen angeeichten
24-stündigen Niederschlagssummen kann man die Regenschwerpunkte gut
erkennen. Von Donnerstagabend bis Freitagabend kamen von Schwaben und
der Schwäbischen Alb über das westliche Franken bis nach Thüringen
und Sachsen-Anhalt vielerorts zwischen 40 und 80 l/qm innerhalb von
24 Stunden zusammen (Abb. 1), wobei der meiste Regen oft innerhalb
von 6 bis 12 Stunden vom Himmel prasselte. Kleinräumig kamen sogar um
100 l/qm zusammen. Am Abend und in der Nacht zum heutigen Samstag
fielen dann von Thüringen bis nach Mecklenburg-Vorpommern 30 bis 70
l/qm, auf Rügen sogar um 100 l/qm (Abb. 2), bevor heute Vormittag der
Regen endgültig nach Norden abzog.

Am brisantesten war die Lage am Freitag in Mittelfranken und in
Teilen Unterfrankens. Bereits in der Nacht kamen dort große
Wassermassen vom Himmel und auch am Vormittag wollte der Regen dort
einfach nicht aufhören. Erst am Nachmittag wurde er allmählich
schwächer und klang am Abend ab. Etwa zwischen Main, Tauber und
Regnitz kamen enorme Regenmengen zusammen. Verbreitet prasselten
zwischen 50 und 80 l/qm, gebietsweise auch über 100 Liter auf einen
Quadratmeter (Abb. 3). Das entspricht zehn großen Gießkannen, die man
auf diese kleine Fläche schütten würde. Das ist definitiv zu viel für
den Boden, der ohnehin durch den vielen Regen der letzten Wochen
bereits gesättigt war.

Demzufolge spitzte sich bereits am Vormittag die Lage mehr und mehr
zu. Bäche wurden zu reißenden Strömen, Keller liefen voll und auf
Felder und Wiesen bildeten sich große braune Seen. Da in der Region
viele kleinere Nebenflüsse von Regnitz und Main entspringen, stiegen
die Pegel sprunghaft an. Besonders vom Hochwasser betroffen waren die
Flüsse Scheine, Aisch, Zenn, Fränkische Rezat und die Aurach. An
einigen Pegeln wurde sogar die Marke für ein 100-jähriges Hochwasser
deutlich übertroffen beziehungsweise wurden sogar neue Rekordmarken
erreicht. Die Scheine stieg bei Scheinfeld 33 cm über die Marke für
ein 100-jähriges Hochwasser. Die Zenn überschritt diese Marke bei
Stöckach sogar um stolze 40 cm (Abb. 4) und erreichte mit 4,10 m am
Freitagmittag einen neuen Rekordpegelstand. Die höchste Meldestufe 4
wurde an mehreren fränkischen Flüssen überschritten, was bedeutet,
dass "bebaute Gebiete im größeren Umfang überflutet sind oder der
Einsatz der Wasser- und Dammwehr in großem Umfang erforderlich ist".
Dies war auch tatsächlich der Fall! Ganze Ortschaften wurden
überflutet und waren zeitweise von der Außenwelt abgeschnitten. Am
schlimmsten war der Landkreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim betroffen.
In Ansbach wurde sogar der Katastrophenfall ausgerufen, da zeitgleich
zum Hochwasser eine Fliegerbombe am Bahnhof mitten in der Stadt
entschärft und viele Anwohner evakuiert werden mussten.

Auch in den nächsten Tagen bleibt uns das unbeständige Wetter
erhalten. Schon in der Nacht zum Dienstag und am Dienstag tagsüber
muss gebietsweise erneut mit teils unwetterartigen Regenfällen
gerechnet werden.


Dr. rer. nat. Markus Übel (Meteorologe)
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 10.07.2021

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