Thema des Tages

14-07-2021 11:20

Wassermassen im Straßenverkehr

In den vergangenen Wochen konnte man es häufiger erleben: Der Himmel
öffnet plötzlich seine Schleusen und die Straßen stehen rasch unter
Wasser. Ist man dabei mit dem PKW unterwegs, besteht die Gefahr von
Aquaplaning.

In den vergangenen Wochen wurde in den Medien fast täglich von
heftigen Niederschlägen berichtet, die regional Keller und
Unterführungen überfluteten oder kleinere Bäche und Flüsse zum
Überlaufen brachten. Auch in der vergangenen Nacht konnten wieder
extreme Niederschlagsmengen in Teilen von Nordbayern, Thüringen,
Sachsen und Sachsen-Anhalt verzeichnet werden. Am heftigsten traf es
aber Nordrhein-Westfalen. Dort registrierte die Station Haan-Gruiten
bei Düsseldorf in 12 Stunden 93 Liter pro Quadratmeter (l/qm), davon
fielen 72 l/qm in nur 3 Stunden. Lokal deutet das RADAR in der
24-Stunden-Summe beispielsweise bei Hagen (ebenfalls NRW) auch auf
Mengen von deutlich über 100 l/qm hin. Am heutigen Mittwoch und in
der kommenden Nacht steht vor allem der Nordwesten und Westen
Deutschlands im Fokus. Dort können gebietsweise erneut extreme
Niederschlagssummen ähnlicher Größenordnung auftreten.

In einer solch kräftigen ?Schütte? kann auch schnell mal eine Straße
überschwemmt werden. Dann besteht für Autofahrer:innen unter
bestimmten Umständen die Gefahr von Aquaplaning. Sicherlich haben die
meisten schon von diesem Phänomen gehört, die eine oder der andere
wird auch schon bereits die unangenehme Bekanntschaft damit gemacht
haben. Aber wie kommt es dazu und wie verhalte ich mich richtig?

Zunächst einmal warnt der Deutsche Wetterdienst vor Stark- und
Dauerregenereignissen, entsprechend sollte man in diesen Regionen im
Straßenverkehr besondere Vorsicht walten lassen. Allerdings handelt
es sich dabei meist nur im lokal eng begrenzt auftretende Phänomene.
Aufgrund sich ansammelnder Wassermassen kann dann Aquaplaning
auftreten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das vom
heranrollenden Reifen verdrängte Wasser auf der Straße nicht mehr
schnell genug abfließen kann. Dann schiebt sich das Wasser wie ein
Keil unter die Reifenaufstandsfläche, wodurch der Reifen den Kontakt
zur Straße verliert und auf den Wasserfilm aufschwimmt. Durch den
Kontaktverlust können auch meist keine Lenk- oder Bremskräfte mehr
auf die Fahrbahn übertragen werden und dem Fahrer droht ein
Kontrollverlust.

Damit Aquaplaning überhaupt erst entsteht, werden aber eine Vielzahl
an Einflussfaktoren benötigt:

Zunächst braucht es einen Wasserfilm auf der Straße. Die Dicke des
Wasserfilms ist abhängig von der Niederschlagsintensität (im Sinne
von Niederschlagsmenge pro Zeiteinheit) und der Wassermenge, die von
der Fahrbahn abfließen kann. Mit zunehmender Höhe des Wasserfilms auf
der Straße steigt die Gefahr von Aquaplaning.

Natürlich sind aber auch einige Faktoren des Fahrzeugs von großer
Bedeutung. Beispielsweise spielt die Geschwindigkeit des Fahrzeugs
eine Rolle. Je höher diese ausfällt, desto größer die
Aquaplaninggefahr. Dies ist auch der einzige Faktor, der vom
Autofahrer bei Gefahr sofort beeinflusst werden kann. Ebenfalls von
großer Bedeutung ist die Bereifung. Je schlechter das Profil (Form
und Tiefe) des Reifens und je breiter der Reifen ist, desto eher
neigt er zu Aquaplaning. Aus fahrdynamischen Gesichtspunkten ist es
besser, die Reifen mit dem besten Profil auf der Hinterachse zu
montieren. Ebenso wirkt sich zu geringer Reifendruck negativ aus.
Zusätzlich erschwert eine durch niedrigen Reifendruck bedingte
Neigung der Aufstandsfläche nach innen das seitliche Verdrängen des
Wassers. Weiterhin haben der Zustand der Stoßdämpfer und zu einem
geringen Teil auch das Fahrzeuggewicht sowie die Lastverteilung auf
Vorder- und Hinterräder einen Einfluss auf die Entstehung von
Aquaplaning.

Auch die Bauart und der Belag der Fahrbahn spielen eine Rolle. Ein
unebener Belag und eine geringe Straßenneigung führen vermehrt zu
Aquaplaning. Entsprechend besteht vor allem in Senken,
Unterführungen, Kurven und bei Spurrillen erhöhte Gefahr.

Gerät man dann wider Erwarten in die Situation, dass sich sehr viel
Wasser auf der Straße sammelt, schaltet man lieber das Radio aus.
Treten laute Wassergeräusche im Kotflügelbereich auf, ist das eine
klare Vorwarnung für ein mögliches Auftreten von Aquaplaning. Im
besten Fall reduziert man bereits im Vorfeld die Geschwindigkeit des
eigenen Fahrzeugs und vergrößert den Abstand zum Vordermann.

Fällt nun die Lenkung auffällig leicht oder steigt die Motordrehzahl
bei ansonsten gleichbleibender Fahrt plötzlich an, ist das Auto mit
den Wassermassen überfordert. Um die Folgen abzumildern, sollte man
besser nicht bremsen, da ein gebremstes Rad während des Aufschwimmens
blockieren und den Wasserkeil nicht mehr überrollen kann. Dadurch
wird die Aquaplaningphase nur verlängert und im Fall, dass das
blockierte Rad wieder Bodenkontakt erhält, kann es zum Ausbrechen des
Fahrzeugs kommen. Stattdessen sollte man den Fuß nur vom Gas nehmen
und die Kupplung treten bzw. bei Automatik in den Leerlauf schalten.
Weiterhin ist von hastigem Gegenlenken abzuraten, das Lenkrad sollte
möglichst gerade gehalten werden. Die beste Maßnahme ist sicherlich
erst einmal ruhig zu bleiben. So schnell das Aquaplaning auftritt, so
schnell ist es meist dann auch wieder vorbei.

MSc.-Met. Sebastian Schappert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 14.07.2021

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