Thema des Tages

16-07-2021 08:50

Lorenz und der Schmetterlingseffekt

Im Folgenden sollen kurz die herausragenden Erkenntnisse von Edward
Lorenz dargestellt werden, die gerade für die Meteorologie
Pioniercharakter in Bezug auf das grundlegende Verständnis
atmosphärischer Prozesse haben.

Edward Norton Lorenz, (geboren am 23. Mai 1917 in West Hartford,
Connecticut, USA, gestorben am 16. April 2008 in Cambridge,
Massachusetts, USA) war ein amerikanischer Mathematiker und
Meteorologe. Lorenz galt und gilt als der Pionier und Entdecker des
grundlegenden Mechanismus sowie der Formulierung des so genannten
deterministischen Chaos (also nur bedingt vorhersagbare Prozesse),
was andererseits eines der Prinzipien der Komplexität gerade bei den
der Wettervorhersage zugrundeliegenden physikalischen Prozessen in
der Atmosphäre darstellt. In diesem Zusammenhang soll auch auf das
Thema des Tages vom 01.07.2021 verweisen werden
(https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2021/7/1.html).
Nachdem er am "Dartmouth College" und an der "Harvard University"
Mathematik studiert hatte, wandte sich Lorenz 1942 beim U.S. Army Air
Corps mehr und mehr der numerischen Wettervorhersage zu. Nach dem
Zweiten Weltkrieg wurde er Forscher am "Massachusetts Institute of
Technology", wo er den Master- (1943) und Doktortitel in Meteorologie
(1948) erwarb, aber auch weiterhin in der Lehre tätig war. Später
wurde er dann Leiter der meteorologischen Abteilung des Instituts.
In den frühen 1960er Jahren entdeckte Lorenz, dass die
atmosphärischen Prozesse gerade aufgrund thermodynamischer
Gesetzmäßigkeiten in deren zeitlichem Ablauf nichtlineare Strukturen
(keine einfache bzw. abhängige Abfolge von Prozessen) aufweisen.
Diese Eigenschaft ist auch als sensitive bzw. stark empfindliche
Abhängigkeit der zeitlichen Entwicklung diverser Kenngrößen (auch
Parameter genannt) von den jeweiligen Anfangsbedingungen bekannt
(siehe auch Thema des Tages vom 01.07.21).

Lorenz konstruierte unter anderem ein Wettermodell, das zeigte, dass
zwei sehr nahe beieinanderliegende bzw. benachbarte Ausgangspunkte
(oder Parameter), die das aktuelle Wetter anzeigen, in ihren Bahnen
(kennzeichnend für die dynamische Veränderung der Parameter) zeitlich
ziemlich schnell auseinanderdriften und recht häufig in
unterschiedlichen Strukturen enden, die entweder ruhigem oder eben
stürmischem Wetter entsprechen.

Dieses Phänomen, das eine langfristigere Wettervorhersage scheinbar
unmöglich macht, erklärte er der Öffentlichkeit als
"Schmetterlingseffekt": In China schlägt ein Schmetterling mit seinen
Flügeln, was ein paar Tage später zu unvorhersehbaren Veränderungen
des Wetters in den USA führt. Für seine bahnbrechenden Arbeiten
(seine Erkenntnisse wurden 1963 in einem Artikel mit dem Titel
"Deterministic Nonperiodic Flow" veröffentlicht) erhielt Lorenz 1983
den Crafoord-Preis der Königlich Schwedischen Akademie der
Wissenschaften und wurde 1991 mit dem Kyoto-Preis ausgezeichnet.

Abschließend lässt sich festhalten, dass einerseits viele Prozesse in
der Atmosphäre, die mit dem Eintrag von Wärmeenergie (fühlbare und
latente Wärme) verbunden sind, prinzipiell die Unordnung oder
Entropie des Gesamtsystems teilweise bzw. regional differenziert
erhöhen können. Dieser Faktor wirkt daher immer limitierend auf den
zeitlichen Verlauf der Prognosegüte. Andererseits gelingt es der
modernen Meteorologie dank verfeinerter Fern- und
Naherkundungsverfahren sowie exakterer Darstellung der physikalischen
Prozesse in den Wettermodellen immer besser, sowohl die
Anfangsbedingungen genauer zu erfassen als auch die Vorhersagefehler
gerade in der kurz- und mittelfristigen Wettervorhersage (auch durch
kontinuierliche Datenerfassung und entsprechende Modellanpassung) zu
reduzieren. Damit wird auch die von Lorenz beschriebene Unschärfe
längerfristiger Vorhersagen zumindest etwas verringert.


Dipl.-Met. Dr. Jens Bonewitz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 16.07.2021

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