Thema des Tages

01-09-2016 14:40

Der September - ein verkappter Sommermonat?

Nein, das hat er sich anders vorgestellt, der September. Der Monat,
der von den Meteorologen kühl-wissenschaftlich zum ersten Herbstmonat
degradiert wird. Dabei will der Liebe vielmehr ein Spätsommermonat
sein, den Menschen vor der nahenden dunklen und kalten Jahreszeit
noch einmal laue Sommerabende bescheren.

Aber genug des unwissenschaftlichen Plädoyers, nun zu den Fakten.

Aus astronomischer Sicht sieht es tatsächlich nicht gut aus für den
"Möchtegern-Sommermonat". Details dazu wurden bereits im Thema des
Tages vom 27.08.2016 erläutert. Trotzdem nochmal kurz die Fakten:
Morgens wird es später hell, abends früher dunkel, der "lichte Tag"
wird also kürzer. Die Sonne steht zudem immer niedriger über dem
Horizont, die direkte Sonnenstrahlung dringt also immer flacher in
die Atmosphäre ein. Die Sonne liefert damit im Laufe des Monats
sukzessive weniger wärmende Energie. Ein eindrückliches Beispiel: Die
Tageslänge Anfang September entspricht in etwa der von Anfang April.

Also jetzt auch noch ein Vergleich zwischen September und April, der
nicht weiß, was er will? Nun, die astronomische Wahrheit ist nur die
halbe Wahrheit. Denn der Sonnenstand bestimmt nicht allein die
Temperaturentwicklung über das Jahr hinweg. Nach der kalten
Jahreszeit wird ein nicht zu vernachlässigender Anteil der
Sonnenenergie in die Erwärmung von Wasser- und Landmassen oder auch
in das Abschmelzen von Eis investiert. Vor allem die Ozeane können
sehr viel Wärme speichern, die im Herbst wieder an die Luft abgegeben
wird. Die Landmassen, insbesondere aber die Ozeane, sind sozusagen
die anspringende Heizung, wenn der Sonne im Herbst allmählich die
Puste ausgeht. Als Resultat dessen ist das Maximum der Temperaturen -
zumindest im vieljährigen Mittel - um etwa sechs Wochen gegenüber dem
Maximum der Sonneneinstrahlung verschoben. Davon profitiert auch der
September!

Natürlich spielen darüber hinaus auch noch weitere örtliche und
regionale Klimafaktoren eine Rolle wie Meeresströmungen oder die für
einen bestimmten Zeitraum typischen Großwetterlagen. Der September
gilt in Mitteleuropa so z. B. als "klimatisch stabil". Im
Wesentlichen sind es die geringen Temperaturgegensätze zwischen den
Europa umgebenden Meeren und dem Festland sowie zwischen den hohen
und niederen Breiten, die weniger turbulente Tiefdruckaktivität als
Hochdruckdominanz über Mitteleuropa begünstigen.

Das klingt doch eher nach Sommer als nach Herbst. Tatsächlich wartet
der September z. B. in Frankfurt mit einem mittleren
Temperaturmaximum von 20,3 Grad Celsius auf und liegt damit hinter
den Monaten Juli (25,5 Grad), August (25,1 Grad) und Juni (23,1 Grad)
und noch vor Mai (20,0 Grad) auf dem vierten Platz. Vor allem in der
ersten Monatshälfte kann es noch einmal richtig heiß werden mit
Temperaturen über 30 Grad (Höchstwert: Jena (Sternwarte) mit 36,5
Grad am 03.09.1911). Zugleich kühlt es in den immer länger werdenden
Nächten schon deutlich stärker aus als noch in den Vormonaten. Zum
Ende des Monats steigt zudem das Potenzial erster kräftiger
Kaltluftvorstöße aus Norden. In der Folge stellen sich im
Septemberverlauf häufig die ersten Nachtfröste ein (z. B.
Selb-Lauterbach/Oberfranken: -5,9 Grad am 24.09.1948).

Wie steht es nun um das Eingangsplädoyer, der September wäre zu
Unrecht zum Herbstmonat degradiert worden? Im Hinblick auf die
Ausführungen mag es zwar etwas hoch gegriffen gewesen sein, denn der
September weist neben vielen sommerlichen immerhin auch einige
herbstlich anmutende Facetten auf. Aber wie sagt man so schön: Im
Zweifel für den Angeklagten - geben wir dem September also noch die
Chance, sich sommerlich zu bewähren.

Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 01.09.2016