Thema des Tages

28-07-2021 07:50

Waldbrände durch Glasscherben - Mythos oder Realität?

Wurde Ihnen in Ihrer Kindheit auch eingebläut, dass durch
Glasscherben im Wald Brände ausgelöst werden können? Dann sei Ihnen
das heutige Thema des Tages ans Herz gelegt, das mit diesem Mythos
aufräumt.

In den vergangenen Wochen stand hier in Deutschland wiederholt das
Thema Starkregen auf der Agenda unserer Vorhersagemeteorologen. Die
Waldbrandgefahr hingegen ist aufgrund der vergleichsweise häufigen
Niederschläge in diesem Sommer etwas in den Hintergrund gerückt. Gut
so! Dennoch sollte jedem das Verhalten im Wald bei erhöhter
Waldbrandgefahr bewusst sein. Eine achtlos aus dem fahrenden Auto
gepfefferte Zigarettenkippe, ein einziger Funke glühender Kohle beim
Grillen am See oder die zerbrochene Glasflasche, die man auf dem
Heimweg von der Party am Wegesrand unbeachtet zurückgelassen hat,
können einen verheerenden Waldbrand auslösen. Oder nicht? Beim
Grillen oder der Zigarettenkippe sind wir uns einig, aber können
Glasscherben tatsächlich einen Waldbrand auslösen?

Um es kurz zu machen: 2006 wurde unter Mitwirkung des Deutschen
Wetterdienstes ein Feldversuch durchgeführt. Es zeigte sich, dass
Glasscherben - die das Licht noch so stark bündelten - es NICHT
schafften, unter sommerlich-trockenen Witterungsbedingungen
lufttrockene Streumaterialien zu entzünden. Dabei wurden die Versuche
unter optimalen Bedingungen durchgeführt, wie man sie in der Natur
typischerweise so gut wie nie antreffen würde. Das heißt, es wurden
farblose Scherben ausgewählt, die das Licht am stärksten
fokussierten, und diese wurden in einer Entfernung über der Streu
montiert, die der Brennweite der Glasscherben entsprach. So wurde die
Lichtkonzentration maximiert.

In dem Feldversuch wurde allerdings nicht nur mit Glasscherben,
sondern auch mit wassergefüllten Gläsern sowie Brenngläsern
experimentiert. Wie zu erwarten war, fanden die Forschenden dabei
heraus, dass Lupen das Sonnenlicht so scharf bündeln, dass eine
nennenswerte Wärmebildung erzielt wird. So kam es auch zur
Flammenbildung. Erstaunlich war allerdings, dass diese nur wenige
Sekunden anhielt und das verwendete Fichtenstreu nach Entfernung der
Lupe nicht weiter brannte. Ebenso konnten durch wassergefüllte
kugelförmige Glasgefäße auf einer Fichtenstreuoberfläche durchaus
Temperaturen von über 500 Grad erzeugt werden. In dem vorliegenden
Versuch entstand dabei aber keine Flamme. Dennoch ist es immer ratsam
und im Hinblick auf die Umweltverschmutzung und zum Schutz von Tier
und Mensch oberstes Gebot, kein Glasmaterial in der Natur liegen zu
lassen.

Die Autoren des Feldversuchs kamen damals zum Schluss: "Folglich sind
- dem jetzigen Kenntnisstand entsprechend - Waldbrände, hervorgerufen
durch den Brennglaseffekt, unter den hiesigen Klimabedingungen als
sehr unwahrscheinlich anzusehen." Die Autoren baten damals die Leser
darum, sich zu melden, wenn Freiflächen- oder Waldbrände entstanden
waren, bei denen der Brennglaseffekt als Ursache nachgewiesen wurde.
Wenn es unter den Lesern unseres Tagesthemas Fachkundige gibt, die
den Autoren nützliche Informationen liefern können, freuen wir uns
über Ihre Nachricht.

Zum Abschluss noch ein kurzer Blick auf den aktuellen
Waldbrandgefahrenindex (WBI) des Deutschen Wetterdienstes, der das
meteorologische Potential für die Gefährdung durch Waldbrand
beschreibt (siehe Abbildung). Im Süden und Westen wird am heutigen
Mittwoch nur ein geringes Potential für Waldbrände (WBI 1 bis 2), in
weiten Teilen des Ostens und Nordostens hingegen ein mäßiges
Potential (WBI 3) erwartet. Eine hohe Gefahr (WBI 4) besteht vor
allem in Teilen von Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Vorpommern, am
Oderbruch wird sogar ein sehr hohes Potential für Waldbrände
berechnet (WBI 5). In den kommenden Tagen nimmt die Gefahr von
Waldbränden weiter zu. Dann wird im Osten recht verbreitet ein WBI
von 4 (hohe Gefahr) erreicht, vor allem am morgigen Donnerstag wird
gebietsweise auch die höchste Stufe (WBI 5) simuliert. Aber auch von
Franken bis in den Norden Baden-Württembergs sowie im Osten
Niedersachsens nimmt die Gefahr von Waldbränden zu. Ein weggeworfener
Zigarettenstummel oder ein unbeobachteter Grillplatz kann dann
schnell fatale Folgen nach sich ziehen.


Dipl.-Met. Julia Fruntke und Dr. Markus Übel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 28.07.2021

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